Abhängigkeit von arabischen Kunden nimmt bei beiden Jet-Herstellern zu

Hamburg. Airbus ist auf dem besten Weg, das Verkaufsziel für das Jahr 2010 zu übertreffen: Auf der Luftfahrtmesse in Farnborough bei London bestellte die Flugzeugleasingsparte des US-Konzerns General Electric (Gecas) 60 Maschinen der A320-Familie, die neu gegründete Leasingfirma ALC orderte 51 Jets der Typen A320 und A321 und die russische Fluggesellschaft Aeroflot gab elf größere A330 in Auftrag. Zusammen haben diese Bestellungen auf Basis von Listenpreisen einen Wert von rund 11,7 Milliarden Dollar (9,0 Milliarden Euro). Damit hat Airbus in diesem Jahr bislang 253 Jets verkauft - angepeilt hatte man 250 bis 300 für das gesamte Jahr.

Allerdings behält der Rivale Boeing vorerst die Nase vorn, nachdem er sich jahrelang mit der Rolle des Airbus-Verfolgers begnügen musste: In Farnborough ging bei den Amerikanern ein Megaauftrag von Emirates Airlines aus Dubai über 30 große Langstreckenmaschinen des Typs 777-300ER im Katalogwert von 9,1 Milliarden Dollar ein, darüber hinaus orderte Gecas 40 Kurz- und Mittelstreckenjets der Baureihe 737-800 für etwa drei Milliarden Dollar. Boeing verzeichnete somit seit Jahresbeginn 284 Bestellungen ohne Berücksichtigung von Stornierungen.

"Am Markt geht es klar wieder aufwärts, und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir gut positioniert sind, die Führungsrolle in diesem Geschäft zurückzugewinnen und zu behalten", sagte Jim Albaugh, Chef der Ziviljetsparte von Boeing.

Auch Branchenbeobachter erwarten im Hinblick auf die Flugzeugbestellungen schon für 2010 eine spürbare Erholung nach dem 15-Jahres-Tief im vergangenen Jahr, als Boeing und Airbus nur insgesamt 573 Aufträge hereinholen konnten. Wenn sich die bisherige Entwicklung fortsetze, sei für 2010 mit zusammen rund 800 Bestellungen zu rechnen, sagte Michael Hessenbruch, Luftfahrtexperte bei der Unternehmensberatung Deloitte, dem Abendblatt: "Das ist enorm, wenn man bedenkt, dass die Branche erst vor einem Jahr in ihrer schwersten Krise seit langer Zeit steckte." Die schnelle Erholung sei ein gutes Zeichen auch für die Zulieferer, und sie zeige die "Robustheit dieser Industrie".

Für Hessenbruch ist es nicht erstaunlich, dass gerade Fluggesellschaften aus Asien und der Golfregion, allen voran Emirates, mit spektakulären Bestellungen - wie schon mit dem Kauf von 32 Airbus-A380-Riesenjets auf der Luftfahrtschau in Berlin im vergangenen Monat - die Vorreiter des Marktaufschwungs sind: "Die Golfstaaten erweisen sich für den Luftverkehr als ein gutes Gelenk zwischen Europa und Asien." In China, Indien sowie dem Mittleren Osten sorge nicht nur eine schnell wachsende Mittelschicht für zunehmende Nachfrage nach Flugreisen, zusätzlich bringe das starke Wirtschaftswachstum mehr Geschäftsreisen mit sich.

Tatsächlich sprechen die Zahlen eine klare Sprache: Während nach Angaben des Weltluftfahrtverbands IATA der Passagierverkehr in Europa in den ersten fünf Monaten 2010 in Europa nur um 2,3 Prozent und in Nordamerika um 4,8 Prozent zulegte, verzeichnete Asien ein Plus von 9,6 Prozent - und der Mittlere Osten meldete sogar einen Zuwachs von 20,9 Prozent.

Trotz der für den weltweiten Luftverkehr langfristig erwarteten Wachstumsrate von jährlich 4,5 bis 5,0 Prozent fragen sich Marktkenner immer wieder, wie Emirates die Vielzahl der in den nächsten Jahren ausgelieferten Großjets füllen will. "Natürlich ist das eine Wette auf den Erfolg des Geschäftsmodells von Dubai als eine führende Drehscheibe des Weltluftverkehrs", sagte Hessenbruch. Der neue Flughafen des Scheichtums, der im kommenden Jahr seinen Betrieb aufnehmen soll, ist für bis zu 160 Millionen Passagiere jährlich ausgelegt. Zum Vergleich: In London-Heathrow, Europas größtem Flughafen, wurden im vorigen Jahr rund 66 Millionen Passagiere gezählt.

Mit allein 90 Bestellungen für den Luftriesen A380 ist Emirates einer der wichtigsten Einzelkunden von Airbus. Nimmt man Nachbarn wie Etihad (Abu Dhabi), Qatar Airways, Gulf Air (Bahrain) oder die Billigfluggesellschaft Air Arabia aus Sharjah hinzu, ist der Mittlere Osten für Airbus als Absatzregion inzwischen so wichtig wie Europa oder Nordamerika.

Doch auch von dort dürften in den nächsten Jahren wieder mehr Aufträge kommen, glaubt Hessenbruch. Dafür sorge schon allein der zunehmende Druck, sparsamere und umweltschonendere Jets einzusetzen, um konkurrenzfähig zu bleiben. "Gerade die US-Fluggesellschaften haben da Nachholbedarf, ihre Flotten sind mittlerweile im Schnitt recht alt."