Thomas Middelhoff und andere ehemalige Arcandor-Vorstände sollen 175 Millionen Euro an Schadenersatz zahlen

Hamburg. Es gab Zeiten, da galt Thomas Middelhoff als letzte Hoffnung für die angeschlagenen Traditionsunternehmen Karstadt und Quelle. Wie keinem Zweiten gelang es dem smarten, hoch gewachsenen Chef der früheren Muttergesellschaft Arcandor, Vertrauen für seinen radikalen Umbau des Konzerns zu wecken. Einwände wischte der mediengewandte Manager stets mit einem breiten Lächeln vom Tisch. Das ging so lange gut, bis Middelhoff im Frühjahr vergangenen Jahres seinen Hut nahm und sein Nachfolger einen radikalen Kassensturz durchführte. Seitdem ist Quelle vom Markt verschwunden, Karstadt insolvent und Arcandor nur noch eine leere Hülle.

Nun soll der einstige Topmanager zumindest für einen Teil seiner Fehler bezahlen. Beim Landgericht Essen ging gestern eine zwölf Kartons umfassende Klage von Karstadt-Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg ein. Der Verwalter fordert darin von Middelhoff und anderen Ex-Managern 175 Millionen Euro Schadenersatz, wie sein Sprecher dem Abendblatt bestätigte. Die Klage richtet sich auch gegen die ehemaligen Vorstände Christoph Achenbach, Helmut Merkel, Matthias Bellmann und Harald Pinger. Letzterer ist heute Geschäftsführer der Kion-Gruppe, zu der auch der Hamburger Gabelstaplerhersteller Still gehört.

Hintergrund der Klage ist der Verkauf von Karstadt-Häusern in Karlsruhe, Leipzig, Wiesbaden und Potsdam sowie des Luxuskaufhauses Oberpollinger in München. Middelhoffs Vorgänger Wolfgang Urban soll die Häuser deutlich unter dem Marktwert an den Oppenheim-Esch-Fonds der Privatbank Sal. Oppenheim und des Kölner Bauunternehmers Josef Esch verkauft und zu überhöhten Konditionen zurückgemietet haben. Middelhoff und den anderen Beklagten wirft der Insolvenzverwalter nun vor, mögliche Schadenersatzansprüche aus dem für das Unternehmen ungünstige Geschäft nicht geltend gemacht zu haben. "Sie haben sehenden Auges die nachteiligen Konditionen für Karstadt akzeptiert", erklärte der Sprecher des Verwalters.

Middelhoff war bei Karstadt Mieter und Vermieter zugleich

Besondere Brisanz erhält der Fall durch die Tatsache, dass Middelhoff und seine Frau selbst Anteile an dem Oppenheim-Esch-Fonds hielten. Der Manager war also Vermieter und Mieter in einer Person und könnte aus diesem Grund ein persönliches Interesse gehabt haben, mit dem Oppenheim-Esch-Fonds nicht besonders streng umzuspringen. Unter anderem aus diesem Grund geht auch die Bochumer Staatsanwaltschaft schon seit mehreren Monaten dem Vorwurf der Untreue gegen Middelhoff nach. Sie ist bislang aber noch zu keinem abschließenden Ergebnis gekommen. Die Ermittlungen seien komplex, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Der Manager selbst hat diese Vorwürfe bereits mehrfach bestritten.

Middelhoff hatte in seiner Zeit als Arcandor-Chef (früher KarstadtQuelle) den Konzern radikal umgebaut und dabei nahezu alle Immobilien des Unternehmens verkauft. Er wollte damit den schon damals am Rande der Pleite stehenden Konzern sanieren und zusätzliche Gelder für die Umgestaltung der Warenhäuser lockermachen. Die Mittel flossen unter anderem in die Umgestaltung der Luxuskaufhäuser Alsterhaus und KaDeWe. Middelhoff stockte damit aber auch eine Beteiligung an dem Reisekonzern Thomas Cook auf.

Im Nachhinein betrachtet hat sich die damalige Sanierungsstrategie allerdings als Bumerang für den Konzern erwiesen. Den Versender Quelle konnte Middelhoff damit nicht retten, er ist bereits von Markt verschwunden. Und die Warenhauskette Karstadt hat die Trennung von den Immobilien in eben jenes Dilemma manövriert, in dem sich das Unternehmen jetzt befindet. Seit Wochen verhandelt der neue Karstadt-Investor Nicolas Berggruen mit den heutigen Eigentümern der Häuser, um martktübliche Mieten herauszuschlagen. Nur wenn eine Einigung gelingt, wird der bereits unterzeichnete Kaufvertrag wirksam.

Weiter schwierige Verhandlungen mit Highstreet-Konsortium

Besonders schwierig sind die Gespräche dabei mit dem Vermieterkonsortium Highstreet, an das Middelhoff 86 der heute noch 120 Karstadt-Immobilien verkauft hatte. Das kompliziert strukturierte Konsortium hat selbst Schwierigkeiten mit seinen Gläubigern, die eine Einigung mit dem Investor torpedieren. Derzeit stellt sich die Valovis-Bank (früher KarstadtQuelle-Bank) quer und will eine Sondervereinbarung mit Berggruen erreichen.

Nach den bisherigen Planungen sollte die Rettung von Karstadt eigentlich bis Mitte Juli perfekt sein. Doch hat Berggruen angesichts der schwierigen Verhandlungen um eine Verlängerung der Frist bis zum 30. Juli gebeten. Der Insolvenzverwalter will darüber in den kommenden Tagen entscheiden.