Hans-Joachim Otto rechnet mit neuen Ausbildungsplätzen, verspricht mehr Forschungsgelder und hält Sicherheitsleute gegen Piraten für nützlich

Hamburg/Berlin. Die deutschen Werften, die Reedereien und die Häfen wollen die Krise endlich hinter sich lassen - dabei spielen die Küstenländer und der Bund eine wichtige Rolle. Ihre Hilfen koordiniert der parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Hans-Joachim Otto (FDP). Das Abendblatt sprach mit Otto über die Rolle der Schifffahrtsbanken, mehr Frachter unter deutscher Flagge, private Sicherheitsdienste als Schutz vor Piraten und über seinen Vorstellungen für eine rasche Vertiefung der Elbe.

Hamburger Abendblatt:

Herr Otto, in ihrem Amt als Maritimer Koordinator der Bundesregierung kämpfen sie seit März mit Wirtschafts-, Schifffahrts- und Werftenkrise. Was reizt Sie an der Aufgabe?

Hans-Joachim Otto:

Die große Herausforderung. Gerade auch in der Krise handelt es sich um eine wichtige Aufgabe, mit der sich einiges bewirken lässt.

Mittelständische Reeder an der Unterelbe und im Alten Land fürchten jetzt um ihre Zukunft, weil die HSH Nordbank ihre Schiffsfinanzierung um acht Milliarden Euro reduzieren will. Wird die Bundesregierung bei öffentlichen Instituten und Banken, an denen der Bund oder die Länder beteiligt sind, künftig mehr auf die Rendite oder die Wirtschaftsförderung achten?

Bei Aktiengesellschaften wie der HSH Nordbank oder auch der Commerzbank ist der Einfluss des Staates begrenzt, und das sollte auch so bleiben. Die Banken wissen aber, dass der Staat in der Krise verantwortungsvoll mit ihnen umgegangen ist. Ich bin daher hoffnungsvoll, dass auch die Banken die maritime Wirtschaft nicht im Regen stehen lassen, zumal alle die Wachstumspotenziale der Schifffahrt kennen. Immerhin wird schon zur Jahreswende 2011/2012 wieder die gleiche Seefrachtmenge wie vor der Krise erwartet.

Die Reeder gehen davon aus, dass über drei Jahre bis 2012 noch je 170 Millionen Euro an Landesbürgschaften notwendig sind, um die fahrende Flotte durch die Krise zu bringen. Ist das finanzierbar?

Grundsätzlich sollten immer private Lösungen für Kredite gefunden werden. Das bestehende Bürgschaftsinstrumentarium des Staates steht im üblichen Rahmen und mit dem für alle gleichermaßen geltenden Voraussetzungen zur Verfügung. Die Schifffahrt ist mehr als andere eine Wachstumsbranche. Das haben auch internationale Banken erkannt. Sie stehen bereit, in Deutschland einzusteigen. Ich sehe das mit Freude.

Hängt die Unterstützung der Reedereien davon ab, wie viele Schiffe noch unter deutscher Flagge fahren?

Über die Zahl der Schiffe unter deutscher Flagge gibt es klare Absprachen mit den Reedern. Bis Ende 2010 sollten es 600 der international eingesetzten Handelsschiffe sein. Dafür wird die Ausbildung gefördert und es werden Steuervergünstigungen gewährt. Der Bund steht zu seinen Versprechen hinsichtlich der Möglichkeit des Lohnsteuereinbehalts, der Senkung der Lohnnebenkosten sowie der Ausbildungsplatzförderung. Aber es müssen im Gegenzug auch wieder mehr Schiffe unter schwarz-rot-gold kommen. Gerade die Linienreeder verhalten sich zwar schon bisher vorbildlich. Aber viele Reeder, die ihre Frachter nur an die Linien verchartern, werden zum Ausflaggen gedrängt. Das spart pro Schiff Kosten zwischen 100 000 und 400 000 Euro jährlich, gefährdet aber auch den Schifffahrtsstandort Deutschland. Zuletzt ist die Zahl der in der internationalen Fahrt eingesetzten Schiffe unter deutscher Flagge auf 440 bis 450 und damit unter die Anfang 2009 erreichte Zahl von 500 gesunken. Ich bin aber optimistisch, dass es hier bald wieder zu einer Kurskorrektur kommt.

Ist die für die Reeder günstige Tonnagesteuer gefährdet?

Nein.

Warum ist die deutsche Flagge der Regierung so wichtig?

Sie steht für hohe Sicherheitsstandards an Bord, gute Ausbildung und Beschäftigung an Bord und an Land. Sie sichert das maritime Know-how und stärkt den Seeschifffahrtsstandort Deutschland.

Könnte bei der Ausbildung mehr passieren?

Nur 100 der wohl 400 möglichen Schifffahrtsfirmen bilden derzeit Nachwuchs aus. Auch hier muss sich der Trend wenden. Damit rechnen wir aber für die Zukunft, zumal der Reederverband seine Mitglieder dazu aufgefordert hat.

Zu ihrem Schutz vor Piraten wollen die Reedereien private Sicherheitsdienste an Bord holen. Könnte dies die Lösung für das Problem sein?

Die Schäden, die durch Piraterie entstehen, werden inzwischen auf 16 Milliarden Dollar im Jahr geschätzt. Private Sicherheitsdienste können so nur ein Teil der Lösung sein. Insgesamt ist mit dem Problem nur mit einer engen internationalen Kooperation beizukommen. Dazu gehören die über die UNO organisierten Patrouillen im Golf von Aden genauso wie Strafprozesse gegen festgenommene Seeräuber - etwa aktuell in Hamburg.

Welche Aufgaben sollen dann private Sicherheitsfirmen übernehmen?

Sie könnten vor allem ein Frühwarnsystem anbieten, bei dem Funksprüche und sogar Satellitenaufnahmen ausgewertet werden, damit die Kapitäne Gefahrengebiete umfahren können. Sicherheitsleute können aber auch an Bord nützen.

Die Reeder haben auch Interesse an Bundespolizisten?

Die Zuständigkeit der Polizei sehe ich eher in der Beratung und bei der Ausbildung der Seeleute für den Ernstfall. Beamte an Bord halte ich schon aus rechtlichen Gründen für problematisch.

Themenwechsel. Bei den Werften gehen noch immer kaum Aufträge ein. Lässt sich mit öffentlichen Aufträgen wie Forschungs- und Behördenschiffen oder auch mit Aufträgen von der Marine gegensteuern?

Die Spielräume bei den Bundes- und Landeshaushalten sind eng und öffentliche Aufträge können auch die angespannte Situation auf dem Weltmarkt kaum ausgleichen. Aber wir werden bei unserem Gespräch am Montag Erfolge vorstellen können. Mehr kann ich heute noch nicht sagen.

Wird bei den künftigen Sparhaushalten an der Förderung von Forschung und Entwicklung sowie von Innovationen in der maritimen Wirtschaft festgehalten?

Mehr als das. Die Förderung von Forschung und Entwicklung wird nicht nur fortgeführt, sondern von 28 Millionen auf 30 Millionen Euro aufgestockt. Die Finanzierung von Innovationen, die jährlich rund elf Millionen von Seiten des Bundes und den gleichen Betrag aus der Kofinanzierung der Küstenländer umfasst, wurde in diesem Jahr von Darlehen auf nicht rückzahlbare Zuschüsse umgestellt. Zudem muss für die Förderung von innovativen Schiffbauverfahren kein Auftrag mehr vorliegen.

Dahinter steckt die Strategie, die Branche für neue Märkte fit zu machen?

Genau. Standardschiffe werden in Deutschland künftig wohl nicht mehr gebaut werden. Deshalb müssen sich die Werften weiter in Marktnischen etablieren. Dazu gehören neben Passagierschiffen und Fähren Doppelhüllen- und eisgängige Tanker sowie Schiffe für die Offshore-Industrie. Mit ihnen bestehen mittelfristig gute Perspektiven.

Für den Hamburger Hafen ist eine rasche Elbvertiefung derzeit das wichtigste Anliegen. Ist die derzeit avisierte Fertigstellung bis 2013 realistisch oder werden Klagen das Projekt erneut verzögern?

Der Bund steht zu der Vertiefung. Nur so kann Hamburg mit den weltweiten Häfen mithalten und wird nicht von der Entwicklung zu immer größeren Schiffen abgeschnitten. Ich appelliere daher an Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, dafür zu sorgen, dass es keine Verzögerungen mehr gibt. Wir gehen davon aus, dass der Planfeststellungsbeschluss im Herbst vorliegt und das Baggern bereits im Herbst 2011 beginnen kann. Dann würden sich erste Verbesserungen Anfang 2012 zeigen. Der Bund ist entschlossen, das 385 Millionen Euro teure Projekt durchzuziehen. Es darf kein Störfeuer mehr geben.