Laut dem Konsortium Desertec könnten Europäer ihre Stromrechnung um rund 40 Prozent senken

München. Mit Wüstenstrom aus Nordafrika könnte Europa seine Stromkosten nach Angaben der Desertec-Industrie-Initiative (Dii) um rund 40 Prozent senken. Der Bau von Windparks, Solaranlagen und Stromtrassen würde annähernd 400 Milliarden Euro kosten, aber jährlich 33,5 Milliarden Euro gegenüber der Stromerzeugung in Europa sparen, sagte Dii-Experte Florian Zickfeld gestern in München. "Wir haben kostengünstige, unerschöpfliche Potenziale zur Erzeugung von Energie in der Wüste", ergänzte Dii-Geschäftsführerin Aglaia Wieland.

Die Desertec-Initiative, hinter der Konzerne wie Munich Re, Siemens, RWE oder E.on stehen, will ab dem Jahr 2050 etwa 20 Prozent des europäischen Strombedarfs aus der Sahara importieren. In Europa erzeugter Strom werde etwa 73 Euro je Megawattstunde kosten, Wüstenstrom einschließlich Transportkosten nur 58 Euro, sagte Zickfeld. Weitere 15 Euro je Megawattstunde würden gespart, weil mit dem Verbund weniger Stromspeicher und weniger zusätzliche Kraftwerke für Nachfragespitzen gebaut werden müssten. Die beiden ersten kleinen Wind- und Sonnenkraftwerke mit zusammen 250 Megawatt Leistung sollen in Kürze in Marokko errichtet werden und von 2014 an Strom liefern. Dii-Geschäftsführer Paul van Son sagte: "Wir können nicht nur herumreisen auf Konferenzen. Wir müssen auch sehen, dass etwas passiert." Aber der Anlauf sei schwierig. Auf Fragen zum Investitionsklima in den arabischen Staaten sagte Wieland: "Die Industrie steht bereit, das Kapital steht bereit." Jetzt gehe es um die Absicherung von Investitionen. Skeptiker wie der Allianz-Klimaexperte Armin Sandhövel betonten zuletzt, dass Desertec in einer politisch instabilen Region plane. Für institutionelle Investoren, die Gelder zur Altersvorsorge anlegen, sei dies problematisch.

Van Son sagte, erneuerbare Energien seien die Basis für die von der Bundesregierung ausgerufene Energiewende. In diesem Zusammenhang müsse Europa zusammen mit Nordafrika und dem Nahen Osten Strukturen für einen gemeinsamen Stromverbund schaffen. "Das ist machbar", so van Son. Der Verbund könne bis 2050 dann mindestens 90 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien gewinnen. Die Vorteile: Europa spart Kosten und Nordafrika schafft sich eine milliardenschwere Exportindustrie. Ein Ökostrom-Verbund könnte Nordafrika und dem Nahen Osten Wachstums-Impulse geben, sagte Mario Ragwitz vom Fraunhofer-Institut. Der Strombedarf dort werde sich bis 2050 vervierfachen. Aglaia Wieland ergänzte: "In Nordafrika gibt es für die Flächen keine alternative Verwendung." Nebenbei könnten noch die Klimaziele eingehalten und die Netze stabilisiert werden, weil der Bedarf im Norden vor allem im Winter und im Süden im Sommer besteht.