Nordseeprojekte gehen verspätet in Betrieb und werden teurer

München. Die Windparkprojekte in der deutschen Nordsee setzen Siemens zu. Die Kosten dafür sind derart in die Höhe geschossen, dass der Münchner Konzern seine Gewinnprognose für das Geschäftsjahr 2011/2012 deutlich nach unten korrigieren musste - von sechs Milliarden Euro auf 5,2 bis 5,4 Milliarden. Siemens schafft es nicht, die Windparks planmäßig ans Stromnetz anzuschließen. Der Konzern musste dafür im zweiten Quartal 278 Millionen Euro zurückstellen. Bereits im ersten Quartal waren es 203 Millionen Euro.

Siemens baut Windturbinen, aber auch Umspannkraftwerke für den Anschluss von Offshore-Windparks auf See. Speziell mit dem Anschluss von Nordseewindparks an die Landnetze gibt es derzeit Probleme. Der zuständige Netzbetreiber TenneT ist mit der Finanzierung der Großprojekte überfordert. Siemens wiederum zahlt Lehrgeld bei der Entwicklung und beim Bau der Umspannplattformen. Dieses Geschäft wie auch die weltweite Vermarktung seiner Windturbinen betreibt der Konzern mit mehreren Hundert Mitarbeitern von Hamburg aus.

Siemens-Chef Peter Löscher gab sich gestern bei der Vorlage der Quartalszahlen entsprechend selbstkritisch. Er sprach von "klaren Fehlern" seines Unternehmens: "Wir haben die Komplexität der Projekte unterschätzt." Löscher sagte, dass es bei solchen Pionierprojekten immer zu Fehlern kommen könne. Der Vorstandsvorsitzende verwies auf die Herausforderungen der einzelnen Aufträge. So müssen die Mitarbeiter seines Unternehmens Windparks ans Netz schließen, die bis zu 160 Kilometer von der Küste entfernt sind.

Vielleicht hätte Siemens zunächst nur einen Windparkauftrag annehmen sollen und nicht gleich vier, sagte Löscher. Doch diese Einsicht kommt zu spät. Die zwei Projekte "Borwin2" und "Helwin1" verzögern sich voraussichtlich um neun bis zwölf Monate. "Sylwin1" müsse noch überprüft werden. Nur bei "Helwin2" gebe es bisher keine Verzögerung, erklärte Löscher.

Der Konzern habe aus den Fehlern Konsequenzen gezogen, sagte Löscher. So bekommt die Sparte Energieübertragung mit Karlheinz Springer einen neuen Chef. Springer hat sich bereits in anderen Bereichen des Konzerns bewährt. Der glücklose Udo Niehage wird intern versetzt. Zu möglichen Stellenkürzungen in der Sparte Energieübertragung wollten sich Löscher und Finanzvorstand Joe Kaeser gestern nicht äußern.

Um die Probleme bei den Offshore-Projekten will sich nun auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kümmern. Sie lud zu einem Spitzentreffen im Mai ein.