US-Konzern könnte sich einen Vorteil gegenüber Airbus sichern durch die Zusammenarbeit mit dem brasilianischen Regionaljet-Bauer

Washington. Die Airbus-Rivalen Boeing und Embraer kommen sich näher. Die Spitzen der beiden Flugzeughersteller aus den USA und Brasilien unterzeichneten ein Abkommen über eine breit angelegte Zusammenarbeit, die von Effizienzsteigerungen bis hin zur Sicherheit bei Flugzeugen reichen soll. Jim Albaugh, Chef von Boeings Verkehrsflugzeugsparte, sprach in Washington von einer "bedeutenden Vereinbarung".

Kooperationen in der Luftfahrtindustrie sind nichts Ungewöhnliches, lassen sich damit doch die hohen Entwicklungskosten besser schultern. Der Airbus-Mutterkonzern EADS war bis 2007 sogar mit gut zwei Prozent an Embraer beteiligt. Das Trio Airbus, Boeing und Embraer hatte sich kürzlich darauf verständigt, den Einsatz von Biosprit in der Luftfahrt voranzutreiben.

Airbus und Boeing beherrschen den Markt der Verkehrsjets mit mehr als 100 Sitzplätzen. Der brasilianische Hersteller Embraer indes ist für seine kleineren Geschäftsflugzeuge und Regionaljets bekannt. Es gibt allerdings Überschneidungen. Embraer und der kanadische Gegenspieler Bombardier wildern mit ihren Topmodellen in der Einstiegsklasse der Platzhirsche.

Mit dem jetzt unterzeichneten Abkommen könnte sich Boeing einen kleinen strategischen Vorteil gesichert haben, sagte der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt dem Abendblatt. So könne der US-Konzern seinen Einfluss geltend machen, damit ein künftiger, größerer Embraer-Jet dem Nachfolger der Boeing 737 nicht so heftig Konkurrenz macht. Außerdem entwickelten die Brasilianer einen kleineren Militärtransporter, den Boeing auf dem Weltmarkt als Ergänzung seines sehr großen C17-Transporters anbieten könne.

Möglich ist allerdings auch, dass der Pakt vor allem einen politischen Hintergrund hat: Die US-Amerikaner buhlen um einen Auftrag für die Lieferung von 36 Kampfjets an Brasilien und verstärken deshalb ihre Beziehungen. So hatte Boeing erst im Oktober eine Repräsentanz eröffnet.

Um den schätzungsweise vier Milliarden Dollar schweren Rüstungsauftrag konkurrieren Boeing, der schwedische Hersteller Saab sowie Dassault aus Frankreich. Den Brasilianern geht es bei dem Geschäft vor allem um einen möglichst intensiven Technologietransfer. In diese Richtung könnte auch die Vereinbarung zwischen Boeing und Embraer zielen.

Das Bündnis kam zeitgleich mit dem Besuch von Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff bei US-Präsident Barack Obama, was den politischen Charakter noch unterstrich. Airbus wollte sich auf Abendblatt-Anfrage nicht zu dem Vorgang äußern.