Mit fair gehandelter Limonade hat die Hamburger Firma LemonAid die Szenekneipen der Stadt erobert. Nun nimmt sie den Rest der Republik ins Visier.

Hamburg. Mit 16 Jahren musste Paul Bethke einfach mal raus aus der deutschen Wohlstandsgesellschaft. Er verließ das Corvey-Gymnasium in Lokstedt, packte seinen Rucksack und fuhr für mehrere Jahre nach Sri Lanka. In der Hauptstadt Colombo lebte der Hamburger in einer Gastfamilie, machte vor Ort Abitur und erlebte den Alltag in einem Land, in dem die Bewohner mit deutlich weniger Geld zurechtkommen müssen als in der vergleichsweise reichen Hansestadt.

Die Erfahrungen in dem asiatischen Land haben den heute 30-Jährigen so stark geprägt, dass er nun auch als Unternehmer versucht, soziales Engagement und ökonomischen Erfolg miteinander zu verbinden. "Wir leisten flüssige Entwicklungshilfe", sagt der Chef der Hamburger Getränkefirma LemonAid . Soll heißen: Die Erlöse aus seiner Fairtrade-Limonade sollen auch Bauern und Limettenpflückern in der Dritten Welt zugute kommen. Für ihre Mischung aus Geschäfts- und Gemeinsinn wurden Bethke und sein Mitgeschäftsführer Jakob Berndt gestern mit dem Zukunftspreis der Branchenmesse Internorga ausgezeichnet.

Gemeinsam tüftelten die beiden Schulfreunde vor drei Jahren die erste Rezeptur für ihre Limonade aus. "Wir haben Limetten gekauft, selbst ausgepresst, Rohrzucker gestampft und dann in der Küche meiner WG im Karoviertel experimentiert", erzählt Berndt. Bekannte wurden als Testtrinker engagiert. Zu der Limetten-Limo kamen bald Eisteesorten unten dem Namen ChariTea hinzu. Die Gestaltung der trendigen, schlichten Glasflaschen übernahm eine schwedische Designagentur, in Süddeutschland fanden die Jungunternehmer einen Getränkehersteller, der die ersten Flaschen für sie abfüllte.

"Alle Zutaten, die wir verwenden, stammen aus fairem und ökologischem Anbau", sagt Bethke. Gerade ist er von einer Reise durch Indien und Sri Lanka zurückgekommen, um die Produktionsbedingungen für Mangos, Tee und Ingwer unter die Lupe zu nehmen. Cogeschäftsführer Berndt war in Südamerika unterwegs. Der Limettensaft von LemonAid stammt beispielsweise von einer brasilianischen Bauern-Kooperative, die das Fairtrade-System installiert hat und so auskömmliche Löhne und Sozialleistungen garantiert. Zudem werden aus den Fairtrade-Geldern lokale Projekte wie eine Computerschule für Kinder organisiert.

+++ Bionade-Gründer verkaufen ihre Anteile +++

Ähnlich wie sein Freund Paul ist auch Jakob Berndt ein Überzeugungstäter. Für das gemeinsame Unternehmen ließ der studierte Kulturwissenschaftler einen gut dotierten Job bei der Werbeagentur Jung von Matt sausen.

"Ich wollte einfach nicht den Rest meines Lebens damit vergeuden, den Absatz von Mercedes oder anderen Autokonzernen anzukurbeln", sagt der passionierte Fahrradfahrer. Aus purem Altruismus heraus handeln die LemonAid-Chefs aber natürlich auch nicht. "Selbstverständlich wollen wir mit dem Unternehmen Geld verdienen", sagt Berndt. Mit 1,5 Millionen verkauften Flaschen hat es das Zehn-Mann-Unternehmen im vergangenen Jahr knapp in die Gewinnzone geschafft. Für 2012 haben sich die Gründer ein Absatzplus von 50 Prozent vorgenommen.

Gibt es die schlichten Glasflaschen bislang vor allem in Hamburger Szenekneipen und in einigen Biosupermärkten, rückt nun der Rest der Republik ins Visier der Geschäftsführer. Neben Berlin, München oder Köln sind für die Hanseaten auch Städte wie Leipzig mit ihrer großen Studentenszene interessant. "Wir wollen nicht, dass LemonAid aus Mitleid gekauft wird, sondern weil das Produkt gut aussieht und schmeckt", sagt Berndt.

Ein wenig könnten die Hamburger bei ihrer Expansion auch von der Schwäche der einstigen Kultmarke Bionade profitieren, die durch Missmanagement in finanzielle Bedrängnis geriet und seit der Komplettübernahme durch den Lebensmittelkonzern Oetker an Glaubwürdigkeit verloren hat.

Das Beispiel Bionade ist denn auch eine Warnung für die LemonAid-Chefs. "Wir werden unser Unternehmen auf keinen Fall an Coca-Cola oder einen anderen Getränkeriesen verkaufen", sagt Bethke. "Das wäre dann so, als hätte man über all die Jahre schon für einen großen Konzern gearbeitet und nur für ihn die eigene Marke aufgebaut."