Insolvenzverwalter kann sich mit Betriebsrat noch nicht auf Streichliste für Filialen einigen. Gewerkschaft Ver.di fordert Transfergesellschaft.

Hamburg. Am 23. Januar kam das Fax, mit dem das große Zittern begann. In einem Rundschreiben informierte Schlecker seine Mitarbeiter vor zwei Wochen über das am selben Tag eingeleitete Insolvenzverfahren. Manche Mitarbeiterinnen, die nicht in der Nähe des Faxgeräts arbeiteten, erfuhren es zuerst von ihren Kunden, die bereits im Radio davon gehört hatten.

Seitdem bangen die 25 000 Schlecker-Mitarbeiter in der Bundesrepublik um ihre Jobs. Die alles überschattende Frage für sie lautet: Bleibt mein Standort erhalten? Mit einem mulmigen Gefühl warteten die 240 Hamburger Schlecker-Frauen deshalb gestern auf die Veröffentlichung einer Streichliste.

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Zwei Tage lang hatte Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz in Ulm mit Vertretern der Gewerkschaft Ver.di über einen Sanierungsplan verhandelt. Was bereits zuvor feststand: Mit 11 750 Angestellten soll fast die Hälfte der Mitarbeiter in Deutschland entlassen werden. Zudem werden 2400 der 5400 Filialen geschlossen. Welche der 65 Standorte in Hamburg betroffen sind, steht nicht fest. "Es ist die Ungewissheit, die uns fertigmacht", sagte Schlecker-Betriebsrätin Renate Nazli. Die 50-Jährige ist Verkäuferin in der Filiale Wehringstraße in Wilhelmsburg. Als alleinerziehende Mutter von sechs Kindern wäre für sie der Jobverlust "eine Katastrophe".

Als am Nachmittag feststand, dass vorerst keine Streichliste veröffentlicht wird, herrschte nicht nur bei ihr große Ernüchterung. Ver.di-Verhandlungsführer Bernhard Franke machte den Beschäftigten dennoch Mut. Denn die Zahl der zu schließenden Filialen müsse dringend nochmals verhandelt werden. Es gebe die Verabredung, dass die Listen den Betriebsrätinnen zeitnah ausgehändigt werden sollen. Sie müssen diese dann kritisch für ihr Gebiet prüfen. Oberstes Verhandlungsziel sei es, "möglichst viele der Existenzen im Unternehmen zu sichern".

Die Politik stehe nun in der Verantwortung, die Dauer des Insolvenzgeldes zu verlängern, damit eine Transfergesellschaft gegründet werden kann. Dafür wollen die Hamburger Schlecker-Frauen heute bei Arbeitssenator Detlef Scheele um Unterstützung werben. "Wir wollen bleiben, denn wir können ja nichts dafür", sagt Renate Nazli, die ein verfehltes Management für die Pleite verantwortlich macht. Aber auch die Berichterstattung über Schlecker habe dazu beigetragen. So seien bei Schlecker ein für die Branche einmaligen Tarifvertrag durchgesetzt, Betriebsräte eingerichtet und Leiharbeitsfirmen erfolgreich bekämpft worden. Doch das sei von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt geblieben, sagte Nazli.

Gemeinsam mit ihren Kolleginnen will die Betriebsrätin um 17 Uhr zu einer Solidaritätsdemonstration vor das Rathaus ziehen. Dabei hofft sie auch auf die Unterstützung ihrer Kunden. "Wir waren immer für unsere Kunden da, jetzt brauchen wir sie", sagte Nazli. Auch Ver.di-Landeschef Wolfgang Rose unterstützt die Frauen: "Wir dürfen keine Jobs durch Managementfehler verlieren." Er forderte Bund und Land auf, jetzt dafür zu sorgen, "dass genügend Zeit zur Verfügung steht, um eine Transfergesellschaft zu gründen".

Auch viele Kunden bangen um die Filialen. Elvira Mazen-Schmidt ist Marktleiterin an der Luruper Hauptstraße. In direkter Nachbarschaft wohnen viele alte Menschen. Für sie ist die Schlecker-Filiale der einzige Nahversorger, sagt Mazen-Schmidt: "Viele können aus gesundheitlichen Gründen den weiteren Weg zu einem Supermarkt nicht mehr auf sich nehmen, die haben eine Horrorangst vor einer Schließung."