Die Lufthansa-Pilotin Kerstin Felser im Interview über Hightech-Cockpits, Fernweh und den Neid auf das Gehalt. Sie ist die erste Pilotin des A380.

Hamburg. Seit viereinhalb Jahren fliegt der Airbus A380 nun schon im Liniendienst, aber noch immer fasziniert der doppelstöckige Luftgigant die Menschen - sogar in den USA, wo man an großzügige Abmessungen gewöhnt ist. Als die Lufthansa im vergangenen Jahr erstmals mit ihrem Flaggschiff in Miami landete, waren stundenlang Highways um den Flughafen durch Schaulustige blockiert, erzählt Kerstin Felser.

Sie ist der Faszination des A380 selbst erlegen, denn sie war eine der ersten beiden Lufthansa-Pilotinnen, die sich für den Arbeitsplatz im Cockpit des Mega-Airbus qualifiziert haben: "Die nie da gewesene Dimension, die vollkommen neue Technik - ich wollte dabei sein." Seit eineinhalb Jahren hat Felser die Lizenz für den Jet, doch die Begeisterung dafür ist ihr noch immer anzumerken: "Wenn man den A380 sieht, denkt man, dass er schwerfällig sein muss. Aber tatsächlich fliegt er sich agil und sportlich, einfach eine Wonne."

Zudem gebe es eine Reihe von neuartigen Einrichtungen im Cockpit, die die Sicherheit erhöhen und die Bedienung vereinfachen. So lassen sich die Navigationsbildschirme mit einer Art Computermaus bedienen: "Mit nur zwei Klicks können wir ein Gewitter umfliegen." Vor 20 Jahren, als Felser zu ihrem ersten Schulflug in einer kleinen Cessna startete, wäre ihr ein solcher Komfort noch wie pure Science-Fiction erschienen. Wie sonst eher Jungen zog es sie schon als Kind auf die Flughafenaussichtsterrassen, als Jugendliche stand der Berufswunsch Pilotin fest. Sie ließ sich auf eigene Kosten ausbilden und begann bei der Regionalfluggesellschaft Eurowings ihre Karriere.

+++ 332 Lufthansa-Pilotinnen +++

Zwei Jahre später wechselte Felser zu Lufthansa Cargo, ins Cockpit der großen MD11-Frachtjets. "Ich wollte auf die Langstrecke, wollte Länder auf anderen Kontinenten sehen und mit den Menschen dort in Kontakt kommen." Der Beruf brachte sie an Orte abseits der üblichen Routen der Passagierluftfahrt. In Alaska ist sie mit dem Hundeschlitten gefahren, auch in der usbekischen Hauptstadt Taschkent und in Papeete auf Tahiti hat die lebhafte, fröhliche Frau mit den langen rötlichblonden Haaren Station gemacht: "Das hat einen Hauch von Abenteuer."

Doch die Frachtfliegerei ist auch ein hartes Geschäft. Oft beginnen die Einsätze gegen Mitternacht, man ist bis zu 14 Tage ununterbrochen unterwegs. Nach sechseinhalb Jahren war es Zeit für eine neue Erfahrung; fortan flog sie in der Passagiersparte der Lufthansa zunächst die Airbus-Langstreckenjets A330 und A340.

Knapp zwei Monate dauerte dann die Umschulung auf den größten Airbus: Theorie, rund 40 Simulatorstunden, gefolgt von einem Landetraining im "echten" Jet an den Flughäfen Leipzig und Schwerin-Parchim. Den Abschluss bildete ein Flug nach Tokio und zurück unter den kritischen Augen eines erfahrenen Check-Kapitäns: "Es war schon ein emotionaler Moment, zum ersten Mal mit mehr als 500 Passagieren an Bord zu starten."

Dafür ist die Auswahl an Zielorten nun nicht mehr so groß; die Lufthansa fliegt mit dem A380 derzeit nach Singapur, Miami, Johannesburg, Tokio und Peking, im Sommer geht es auch wieder nach San Francisco und New York. In Singapur ist Felser besonders gern - sie schätzt die fernöstliche Kultur. Doch auch Fahrradtouren in San Francisco und Wanderungen durch die afrikanische Savanne mit Elefanten während eines Johannesburg-Aufenthalts bleiben unvergesslich.

Ein solcher "Alltag", verbunden mit der großzügig erscheinenden Bezahlung von Lufthansa-Piloten - das Einstiegsgehalt liegt bei 60 000 Euro jährlich, Kapitäne verdienen mehr als 110 000 Euro - weckt in der Öffentlichkeit regelmäßig Neidgefühle. Doch Kerstin Felser fühlt sich nicht überbezahlt. Sie verweist auf die Verantwortung für mehrere Hundert Passagiere und auf die hohe Kompetenz, die immer wieder nachgewiesen werden muss: Viermal im Jahr hat ein Pilot im Simulator diverse Notsituationen zu meistern. Gelingt das nicht überzeugend, kann die Lizenz verloren gehen.

Darüber hinaus sei die Cockpitbesatzung eines Großraumflugzeugs durchaus vergleichbar mit dem Management eines mittelständischen Unternehmens: Ungefähr 400 Arbeitsplätze hängen direkt und indirekt davon ab, dass ein A380 mit einem Listenpreis von fast 300 Millionen Euro und 24 Beschäftigten an Bord wirtschaftlich betrieben wird.

+++ Haar-Risse im A380: "Kleinen Fehler gemacht" +++

Felser ist allerdings nicht nur Pilotin. Noch während ihrer Zeit bei Lufthansa Cargo absolvierte sie ein Fernstudium der Betriebswirtschaftslehre, weil sie auch die Theorie hinter den weltweiten Warenströmen verstehen wollte. Seither arbeitet die Südpfälzerin, die heute in der Nähe von Mainz wohnt, die Hälfte des Monats am Schreibtisch, derzeit als Assistentin des Lufthansa-Chefpiloten Werner Knorr.

Mindestens zweimal im Monat hebt sie aber weiter in Frankfurt zu einem der A380-Ziele ab: "Das Fliegen soll nicht zu kurz kommen." Ein solcher Arbeitsrhythmus erleichtert auch die Organisation des Privatlebens. Zwar müssten sich Piloten wegen der unregelmäßigen Arbeitszeiten etwas mehr als andere darum kümmern, den Kontakt zu Freunden und Bekannten zu halten. "Aber wenn man diesen Beruf liebt, ist das kein so großes Problem."

Wohl nicht zuletzt die Befürchtung, Berufsleben und Familie schlecht vereinbaren zu können, sorgt jedoch für einen anhaltend niedrigen Frauenanteil von nur gut fünf Prozent in den Lufthansa-Cockpits. Dabei gebe es flexible Teilzeitangebote, "und wenn wir nach einem Flug die Uniform zu Hause in den Schrank hängen, bleibt genug Zeit für die Familie". Außerdem gebe es wohl wenige andere Jobs, in denen die Gleichberechtigung in der Praxis so konsequent gelebt wird.

Das betrifft zum Beispiel die Karrierechancen. Schon im nächsten Jahr könnte die 38-Jährige vom Senior First Officer - so etwas wie ein Kapitänsstellvertreter - zur Flugkapitänin aufsteigen. Üblicherweise bedeutet dies den Wechsel zurück auf kleinere Jets und auf die Europastrecken. Felser hält sich aber auch die Möglichkeit offen, zur Frachtflugsparte zurückzukehren, denn dann wäre sie weiter auf der Langstrecke unterwegs.

Doch nicht nur in der Luft ist die Pilotin gewohnt, lange Distanzen zurückzulegen. In der Freizeit macht sie sich fit für Marathonläufe. Im Urlaub überwindet die unverheiratete Frau sogar noch sehr viel weitere Strecken zu Fuß: Zusammen mit ihrem Vater ist sie vom Münchner Marienplatz über die Alpen bis nach Venedig gewandert, hat 700 Kilometer in vier Wochen bewältigt.

Dies ist der maximale Kontrast zum Hightech-Cockpit und zum durchorganisierten Pilotenleben. "Da reduziert sich das Leben auf ganz elementare Dinge", sagt Felser: "Wie weit ist es noch zu gehen, wo gibt es etwas zu essen, und wo kann man schlafen?"