Hamburger Unternehmen NET beklagt langwierige Genehmigungsverfahren. Konflikte mit Bürgerinitiativen

Hamburg. Jens Heidorn und Klaus Soltau hatten den richtigen Riecher. Schon nach dem Studium 1989 haben die beiden Hamburger Ingenieure das Potenzial der Windenergie erkannt. "Wir wollten Windräder betreiben und wurden anfangs als Exoten eingestuft", sagt Heidorn. Das hat die beiden aber wenig gestört. "Wir glaubten an eine Zukunft ohne Atomstrom", so Soltau. Schon 1990 haben sie ihr Unternehmen NET Natürliche Energietechnik quasi nebenberuflich gegründet und 1991 eine Windkraftanlage in Hamburg-Ochsenwerder errichtet. Die Einwohner staunten nicht schlecht, als sie den Turm mit einer Nabenhöhe von 34 Metern (heute sind mehr als 100 Meter üblich) sahen. Die kleine Anlage dreht sich immer noch. Doch ihre Leistung liegt inzwischen mit nur 150 Kilowatt (kW) weit unter den jetzt gängigen Türmen mit bis zu 6000 Kilowatt.

Bei dem Windzwerg ist es nicht geblieben. Die beiden Hamburger betreiben inzwischen elf Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 6000 kW und mehrere Fotovoltaikanlagen in Hamburg sowie eine Windkraftanlage mit 1800 kW in Schleswig-Holstein in der Nähe von Brunsbüttel. Der gesamte Jahresertrag der Windkraftanlagen beträgt inzwischen rund zwölf Millionen Kilowattstunden. Damit können etwa 4000 Haushalte mit schadstofffreiem Strom versorgt werden. Zusammen mit den 13 weiteren Anlagen, die NET im Auftrag von Investoren managt, können sogar insgesamt 12 000 Haushalte bedient werden. Jede Anlage hat übrigens einen eigenen Namen. "Zuerst benannten wir sie nach unseren zusammen sechs Kindern, also etwa "Ben" und "Ronja", doch bald mussten wir auf die Namen von Großeltern und Freunden zurückgreifen."

Heidorn und Soltau könnten eigentlich zufrieden sein, schließlich erhalten sie jeweils 8,93 Cent an Einspeisevergütung pro erzeugter Kilowattstunde Windstrom. Der Umsatz des Unternehmens, das fünf Mitarbeiter beschäftigt, lag 2011 bei drei Millionen Euro. Doch die beiden Unternehmer sind empört. Während der städtische Energieversorger Hamburg Energie Ende Januar eine 3,4 Megawatt-Anlage errichten konnte, stößt NET bei seinen Plänen auf Widerstand. "In Hamburg werden zu wenige Flächen als geeignet für die Windenergie eingestuft", sagt Heidorn. Das habe dazu geführt, dass Heidorn und Soltau seit acht Jahren keine Anlagen mehr in der Stadt installieren konnten. "An komplett neue Flächen denken auch wir schon gar nicht mehr, aber wir würden gerne, wie es auch von der Politik gewünscht ist, alte Anlagen vom Netz nehmen und durch neuere, leistungsstärkere ersetzen", sagt Soltau.

"Wir haben wenig geeignete Flächen in Hamburg und wir können in der Regel nur auf den jetzigen Anlagen neue, leistungsfähigere Windräder genehmigen, die die alten ersetzen sollen. Dennoch haben wir das anspruchsvolle Ziel, die derzeit installierte Energieleistung auf 100 Megawatt zu verdoppeln", sagte Volker Dumann, Sprecher der Umweltbehörde. Die Genehmigungsverfahren seien sehr langwierig, weil viele Seiten, darunter auch die Bürger, gehört werden müssten.

Seit Anfang 2009 warten die beiden Unternehmer auf die Genehmigung eines Antrags, wonach sie in Neuengamme vier alte Anlagen durch drei neue, leistungsstärkere ersetzen wollen. Verzögert wird das Projekt nicht nur durch eine Bürgerinitiative, die sich gegen die höheren Türme wehrt, sondern von der Hamburger Kulturbehörde.

Schließlich steht der Park nur etwa 700 Meter vom Eingang der KZ-Gedenkstätte Neuengamme entfernt. Die Behörde kritisiert, dass die höheren Anlagen zu dominant wirken und so die Wirkung der Gedenkstätte negativ beeinträchtigen könnten. Wegen des Zwistes zwischen Behörde und Betreiber habe man in Neuengamme erstmals in Hamburg einen "städtebaulichen Vertrag" geschlossen. Unter dem Begriff wird die Zusammenarbeit zwischen Behörde und Investor in einem Bebauungsplan geregelt. "Das hat lange gedauert", räumt Dumann ein.

"Man lässt uns am langen Arm verhungern", sagt Heidorn. In Ochsenwerder kämpft eine Bürgerinitiative vehement gegen den Ersatz von alten Anlagen durch neue, leistungsfähigere. "Die Menschen sagen uns zwar, dass sie für die Windenergie sind. Aber sie wollen die Räder nicht in Sichtweite", sagt Soltau. Für ein wenig Zuversicht sorgt jetzt eine Initiative der Hamburger Umweltbehörde. Für Neuengamme, Ochsenwerder, Curslack und Altengamme führt die Behörde noch in diesem Monat und im März Informationsveranstaltungen über die Windgebiete durch. "Das gibt Hoffnung, aber es wird noch lange dauern, bis wir bauen können", sagt Heidorn. Einen offiziellen Antrag für den Austausch der Windräder kann er erst stellen, wenn sämtliche öffentlichen Anhörungen über die betroffenen Gebiete erfolgreich beendet sind und der sogenannte Flächennutzungsplan durch die Bürgerschaft verabschiedet ist. Dies wird laut Dumann voraussichtlich erst Ende des laufenden Jahres der Fall sein. "Danach wird innerhalb von drei Monaten über den Antrag entschieden", sagt er.

"Wenn wir uns ausschließlich auf die Projektentwicklung von Windparks spezialisiert hätten und nicht auch eigene Windräder betreiben würden, wären wir aufgrund der schleppenden Genehmigungsverfahren längst pleite", sagt Soltau.