Zusätzliche Mitarbeiter sollen eingestellt werden. Umsatzrendite liegt im zweistelligen Bereich. Erlöse von fast 200 Millionen Euro.

Hamburg. Als im Jahr 2007 die Phoenix mit der ContiTech verschmolzen wurde, glaubten viele Hamburger, die Geschichte ihrer Traditionsfirma ginge nach mehr als 150 Jahren dem Ende entgegen. Von zuvor 2400 Mitarbeitern mussten unter der Ägide der hannoverschen Conti-Tochter 800 gehen. Ein äußerst schmerzhafter Aderlass bei dem renommierten Arbeitgeber, der früher einmal jeden fünften Harburger beschäftigt, ganze Straßenzüge der Stadt geprägt sowie Wohl und Wehe der Industrie südlich der Elbe maßgeblich bestimmt hatte.

"Damals bin ich eine Wette miteinem Mitarbeiter eingegangen", erinnert sich heute Phoenix-Geschäftsführer Peter Scholtissek. Jener Mann hatte darauf gesetzt, der Betrieb werde keine weiteren fünf Jahre überleben - "diese Wette habe ich jetzt ja wohl gewonnen", schmunzelt der Chef.

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Der lang gediente Conti-Mann Scholtissek ist für seine neue Aufgabe von Hannover an die Elbe gekommen und hat sich mit seiner Frau und den drei Kindern inzwischen gut in Harburg eingelebt. Bei seinen Mitarbeitern gilt der 47-Jährige als unaufgeregter Manager, aber auch als durchsetzungsfähig, wenn es um die Interessen des Standorts geht. Immerhin hat die Zentrale der Continental AG in Hannover nach der feindlichen Übernahme der Phoenix Investitionen in Höhe von 15 Millionen Euro für Harburg bewilligt.

Skeptiker, die noch immer die Wirtschaftlichkeit von Phoenix bezweifeln, überzeugt Scholtissek mit guten Geschäftszahlen: Zur Zeit der Übernahme produzierte die Kautschukmischerei, das Herzstück der Phoenix, 40 000 Tonnen im Jahr, heute arbeiten die Beschäftigten sieben Tage in der Woche, um auf 60 000 Tonnen Gummimasse im Jahr zu kommen. Täglich holen 50 bis 60 Lkw die zu Matten gepressten Halbfertigprodukte ab, welche die Abnehmer zu Reifen, Gummidichtungen, Schläuchen, Feuerwehranzügen und sogar für Kegelbahnen weiterverarbeiten. Dazu kommen 120 000Federsysteme für Schienenfahrzeuge und 120 000 Schläuche für die Autoindustrie, die das Werk im Jahr produziert. Die Erlöse erreichen knapp 200 Millionen Euro, die Umsatzrendite liegt im zweistelligen Bereich und damit im Schnitt der ContiTech-Gruppe.

Damit nicht genug: Im laufenden Jahr rechnet Scholtissek mit einem Umsatzplus von fünf Prozent, ein Zuwachs, über den sich auch die Mitarbeiter freuen können. Zu den derzeit 820 Beschäftigten in der Mischerei werden in den folgenden Monaten einige Festangestellte hinzukommen, die bisher noch als Leiharbeiter in der Fabriktätig sind, verspricht der promovierte Maschinenbauingenieur.

In den vergangenen Monaten konnte die Phoenix insbesondere von der glänzenden Autokonjunktur profitieren. Probleme bereiteten allerdings die stark schwankenden Preise fürNaturkautschuk - ein wichtiger, äußerst strapazierfähiger und temperaturbeständiger Rohstoff für die Produktion, den die Harburger aus Indonesien oder Malaysia beziehen. Zeitweise musste die Phoenix 3,30 Euro für ein Kilo Naturkautschuk bezahlen; an die Kunden geht das Endprodukt allerdings auch schon für drei bis vier Euro.

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Ein weiteres Problem für den Standort stellen die leer stehenden Gebäude auf dem 57 000 Quadratmeter großen Phoenix-Grundstück in der Harburger Innenstadt dar. Rund 15 Prozent der denkmalgeschützten Häuser, von denen einige in ihrer Backsteinoptik und mit Sprossenfenstern den Charme historischer Industriearchitektur versprühen, finden trotz der guten Lage keinen Käufer. Die Phoenix benötigt sie nicht mehr, weil Produktion verlagert wurde und 400 Angestellte in der Verwaltung bei der Integration in die Conti ihren Arbeitsplatz räumen mussten. Auch die verbliebenen 50 Mitarbeiter in der lang gestreckten ehemaligen Zentrale des Unternehmens gegenüber dem Harburger Bahnhof werden bald umziehen, das Gebäude soll dann vermarktet werden.

Bereits völlig geräumt sind zwei Flügel vor der Kunstsammlung Falckenberg; die Fabrik beschränkt sich jetzt auf ein dreieckiges Areal, das Scholtissek auf die Bedürfnisse einer modernen Produktion umgestellt hat. Das Ineinandergreifen von Fertigung, Lager sowie An- und Abtransport der Gummimischungen zu organisieren, Reibungsverluste auf dem historischen Gelände und in den zum Teil mehrgeschossigen Fabrikhallen zu reduzieren, das waren für Scholtissek die großen Herausforderungen am Standort Harburg. Er ist für ein weiteres Gummiwerk der Conti in Thüringen verantwortlich. Dort stehen Fabrikhallen aus den 1980er-Jahren auf der grünenWiese - Bedingungen, die eine effiziente Produktion wesentlich vereinfachen.

In Harburg konzentriert sich Scholtissek in der Folge auch immer mehr auf Entwicklungsaufgaben. Kleinere, dennoch leistungsfähigere Motoren, aber auch das neue Benzin E 10, das Materialien angreifen kann, stellen wachsende Herausforderungen an die Komponenten, die Phoenix an die Autobauer liefert. Neben der Fertigung bekommen Labore, in denen spezialisierte Ingenieure und Chemiker bei der Phoenix neue Produkte kreieren, daher einen höheren Stellenwert. "Entwickeln, wo wir es am besten können, produzieren, wo es am billigsten ist", beschreibt Scholtissek den Gedanken hinter dieser Strategie, die bei der Continental AG mit ihren 160 000 Mitarbeitern weltweit gilt.

Auch wenn die Phoenix, die 1856 als Schuhfabrik in Harburg ihre Tore öffnete, immer wieder neue Herausforderungen meistern muss - Scholtissek ist für die Zukunft des Werks optimistisch: "Wir arbeiten auf sehr stabilem Niveau, haben ein ordentliches Geschäft und können positiv nach vorne schauen."