Wiesbaden. Die Inflation hat 2011 mehr als zwei Drittel der Lohnzuwächse deutscher Arbeitnehmer aufgezehrt. Die Bruttomonatslöhne von Vollzeitbeschäftigten legten real um 1,0 Prozent zu, teilte das Statistische Bundesamt gestern mit. Das war weniger als im Jahr davor: 2010 waren die Reallöhne noch um durchschnittlich 1,5 Prozent geklettert, im Krisenjahr 2009 dagegen um 0,4 Prozent gesunken. Höhere Kaufkraftgewinne wurden durch steigende Verbraucherpreise verhindert: Sie zogen wegen gestiegener Energiekosten mit 2,3 Prozent mehr als doppelt so stark an wie 2010. Dadurch blieb von dem Lohnplus von 3,3 Prozent nur ein realer Zuwachs von einem Prozent.

Trotz der erwarteten Konjunkturflaute rechnen Experten in diesem Jahr mit einem realen Lohnzuwachs in ähnlicher Höhe. "Die Unternehmen haben einen hohen Arbeitskräftebedarf und konkurrieren untereinander um Mitarbeiter", sagte der Tarifexperte des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), Hagen Lesch. "Gute Karten haben vor allem Hochqualifizierte in der Industrie." Besonders in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik werde gutes Personal händeringend gesucht. "Wegen der schwächeren Konjunktur dürfte zudem die Inflation nachlassen", sagte Lesch. Der Deutschen Bank zufolge wird die Teuerungsrate auf etwa 1,5 Prozent fallen. Auch die ersten Tarifabschlüsse in diesem Jahr lassen Arbeitnehmer auf ordentliche Lohnzuwächse hoffen. Die 130 000 Tarifbeschäftigten der Deutschen Post bekommen ab 1. April vier Prozent mehr Geld, 33 000 Mitarbeiter der Deutschen Lufthansa bekommen seit Jahresbeginn 3,5 Prozent mehr. Die IG Metall will heute ihre Empfehlungen zur Lohnrunde für die 3,6 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie bekannt geben. Im Gespräch ist ein Plus von bis zu 6,5 Prozent.