Es ist das altvertraute Ritual: Nein, sagen die Arbeitgeber, für höhere Gehälter sei dies nicht der richtige Zeitpunkt, denn der nächste Konjunkturabschwung sei bereits absehbar. Doch wann wäre dann der richtige Zeitpunkt? Tatsache ist: In vielen der zurückliegenden Jahre überstieg die Inflationsrate die tatsächlichen Einkommenssteigerungen der Beschäftigten, damit hatten sie weniger Geld in der Tasche. Dazu beigetragen hat die viel beschworene Lohnzurückhaltung der Arbeitnehmerseite. Dieser Faktor hat wesentlich dazu beigetragen, dass Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern stark an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen hat und sehr viel besser durch die vergangene Wirtschaftskrise gekommen ist.

Kaum jemand würde bestreiten, dass es den deutschen Unternehmen aktuell sehr gut geht. Es gibt also gute Gründe dafür, wenn die Gewerkschaften auf einen Nachholbedarf bei den Gehältern pochen. Dafür sprechen auch volkswirtschaftliche Zusammenhänge: Der Exportboom ebbt wegen des nachlassenden Welthandels ab, damit gewinnt die Binnenkonjunktur an Bedeutung - und steigende Einkommen treiben sie an. Vor diesem Hintergrund empfahl selbst der Sachverständigenrat in seinem jüngsten Jahresbericht, die Spielräume in den Tarifverhandlungen zugunsten höherer Löhne auszunutzen.

Hinzu kommt: Wenn Arbeitgeber argumentieren, leider müsse man den Gürtel jetzt erst recht enger schnallen, sind sie in einer schwachen Position. Denn die Einkommen aus Unternehmertätigkeit haben zuletzt stets weit überproportional zugelegt.