Drogeriekette hat Insolvenzantrag gestellt. Gewerkschaft Ver.di fordert neues Konzept für die Märkte. Ihr Platz nicht betroffen

Hamburg/Ulm. Verkäuferinnen, die Ware auspacken und in die Regale stellen, Kundinnen, die in den Gängen ihre Einkäufe zusammensuchen. In den Hamburger Filialen der Drogeriekette Schlecker am Großen Burstah und am Steindamm herrschte gestern nach außen hin Alltag. Die Mitarbeiterinnen in den Läden äußerten sich wenn überhaupt nur vage zur Zukunft des finanziell Not leidenden Unternehmens. Ja, Ware werde noch geliefert. Nein, ein sinkender Umsatz sei noch nicht zu bemerken. Wie es weitergehe, sei für sie offen. Ansonsten verwiesen die Filialleiterinnen auf die Pressestelle des Unternehmens und händigten für alle Nachfragen Telefonnummern und E-Mail-Adresse der von Schlecker beauftragten Düsseldorfer PR-Agentur Komm.passion aus.

Klar ist seit gestern: Das süddeutsche Unternehmen hat seine Ankündigung vom Freitag wahr gemacht und beim Amtsgericht Ulm Planinsolvenz beantragt. Das bedeutet, dass man versuchen will, sich mit der alten Geschäftsführung selbst zu sanieren. In diesem Fall würde der vorläufige Insolvenzverwalter vor allem als Berater der Geschäftsführung auftreten. Das Amt als Verwalter hat Arndt Geiwitz von der Neu-Ulmer Kanzlei Schneider, Geiwitz & Partner übernommen. Er prüfe nun die Bücher der Anton Schlecker e.K. in Ehingen, sagte ein Sprecher des Ulmer Amtsgerichts. Dabei gilt: Für die Geschäfte, die Schlecker als "eingetragener Kaufmann" geführt hatte, haftet der Gründer mit seinen Privatvermögen, wie Manfred Hunkemöller, Geschäftsführer beim Kölner Institut für Handelsforschung, erklärte.

Betroffen von der Notlage sind bundesweit 7000 Filialen mit 30 000 Beschäftigten. In Hamburg hat Schlecker mehr als 70 Filialen, für Schleswig-Holstein geht die Gewerkschaft Ver.di von mehr als 1000 Mitarbeitern in mehr als 200 Geschäften aus. Mehrere Tausende Beschäftigte können dagegen aufatmen: Das Auslandsgeschäft und die Tochter Ihr Platz sind vom Insolvenzantrag ausgenommen. Außerhalb Deutschlands arbeiten in Europa noch 17 000 Beschäftigte für die Gruppe.

Unklar ist derzeit, ob die Gläubiger von Schlecker die Planinsolvenz mittragen. Sie müssten für die Sanierung freiwillig auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten und das bestehende Management weiter an den Schalthebeln lassen. Vorbehalte des Verrechnungskontors Markant, über die die "Financial Times Deutschland" berichtet, bestätigte ein Gerichtssprecher in Ulm gestern nicht. Bei Markant, das als Zwischenhändler zwischen Hersteller und Handel fungiert, sollen zuletzt viele unbezahlte Rechnungen von Schlecker aufgelaufen sein. Verunsichert ist der Deutsche Paket-Dienst. Die Logistiker fragten an, ob künftig noch weiter geliefert werden könne.

Auch Ver.di sieht die Planinsolvenz kritisch. "Der Insolvenzverwalter muss auf jeden Fall das Handeln des Managements im Auge behalten", sagte Arno Peukes, der Hamburger Ver.di-Landes-Fachbereichsleiter für den Handel, dem Abendblatt. Ziel müsse es sein, mit einem neuen Konzept möglichst alle Stellen bei Schlecker zu sichern. "Dies könnte dadurch geschehen, dass man sich in Hamburg auf große Filialen mit jeweils sechs bis zehn Mitarbeitern anstelle der mehr als 70 Filialen mit wenigen Beschäftigten konzentriert", so Peukes. Am Dienstag kommender Woche will die Gewerkschaft ihre bei Schlecker beschäftigten Mitglieder weiter informieren. Peukes geht davon aus, dass in Hamburg und bundesweit mehr als die Hälfte der Belegschaft der Drogeriekette bei Ver.di organisiert ist.

Kritik an Anton Schlecker, dessen Vermögen auf drei Milliarden Euro geschätzt wird, kommt von Trigema-Chef Wolfgang Grupp. "Ein Unternehmen zulasten der Mitarbeiter, der Lieferanten und auf Kosten des Staates zu sanieren hat nichts mehr mit Marktwirtschaft zu tun", sagte Grupp der Onlineausgabe der "Wirtschaftswoche".