Der Hamburger Kaffeeanbieter verlagert Produktion von Oststeinbek in die Hansestadt. Becking investiert dafür 2,5 Millionen Euro.

Hamburg. Die Fälle, in denen Firmen aus dem Speckgürtel zurück in die Heimat Hamburg ziehen, lassen sich an einer Hand abzählen. Fahnenfleck verkündete im vergangenen Herbst, aus Pinneberg zurück nach Hamburg zu kommen. Der Versicherungsriese Allianz liebäugelte jüngst mit dem Plan, seine Nordzentrale nach Oststeinbek zu verlagern und verwarf den Flirt mit dem Umland erst nach ziemlichen Anstrengungen der Hamburger Wirtschaftsförderung (HWF). Der Kaffeeröster Darboven holte seinen Vertrieb dagegen schon nach kurzer Zeit wieder aus Quickborn zurück an die Alster. Die Strahlkraft des Umlands ist wegen der vergleichsweise geringeren Mieten und Löhne kaum verwunderlich, Hamburg ist nun einmal ein teures Pflaster.

Kosten hin oder her, es gibt sie, die Industrieansiedlungen in der Hansestadt: Jüngster Neuzugang wird die Rösterei von Becking Kaffee. Die traditionsreiche Marke mit den zugegebenermaßen auch typisch hanseatischen Produkten wie Kapitänskaffee verlagert ihre Produktion von Oststeinbek nach Altona. Becking investiert für diese Industrieansiedlung im Herzen der Stadt 2,5 Millionen Euro.

"Wir sind von der HWF angesprochen worden mit der Frage, ob wir unsere Produktion nicht wieder in Altona konzentrieren wollen", erinnert sich Becking-Inhaber Jürgen Schacht an den Anruf, der den Stein ins Rollen gebracht hat. Viel Überzeugungsarbeit war dann nicht mehr nötig, um Schacht und seinen Co-Gesellschafter, Heyko Wychodil, von dem Standort zu überzeugen: Die Rösterei entsteht auf 650 Quadratmetern in einem Gebäude mit einem ähnlich charmanten Industriedesign, wie es die Hamburger von der Fischauktionshalle am Hafen kennen.

Die Verwaltung von Becking Kaffee, eine kleine (Schau-)Rösterei und ein Ladengeschäft mit Bar sitzen bereits einige Meter weiter im alten Kraftwerk in Altona und sind ebenfalls eine Augenweide. Manufaktur und Büro gehen in dem Rotklinkergebäude ineinander über. Die Räume verteilen sich auf mehreren Etagen, mit Emporen, sind teils verwinkelt, teils großzügig mit weiten Glasflächen gestaltet. Historische Kaffeewaagen, Jutesäcke aus aller Welt und natürlich die Röstmaschinen, durch die die braunen Bohnen rieseln, schaffen eine einzigartige Atmosphäre. Sie erinnert an die Zeit der alten Manufakturen, an stolze Segelschiffe, die den Kaffee aus den Tropen bis in den Hamburger Hafen brachten. 300 bis 400 Tonnen im Jahr will Schacht in Altona rösten, eine Menge, die bereits einigen Aufwand für die Emissionsreduktion in dem Wohngebiet erfordert. "Aber wir können uns ja nicht alle gegenseitig die Haare schneiden, sondern brauchen auch in Hamburg Industrie", zitiert Schacht den ehemaligen BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel, wobei Friseure an dem Juristen mit dem Einstein-ähnlichen Schopf wahrscheinlich ihre Freude hätten.

Einige kleinere Röstereien beherbergt die Hansestadt bereits. Namen wie Torrefaktum an der Bahrenfelder Straße, Quijote Kaffee in Rothenburgsort, Elbgold in Winterhude oder Speicherstadt Kaffeerösterei stehen für Manufakturen, die Nischen in einem Markt verteidigen, den Konzerne wie Tchibo oder Darboven beherrschen.

Die Spezialität von Becking ist es, besonders schonend zu rösten. Kreuzfahrtanbieter mit einem älteren, empfindlicheren Publikum machen sich diesen Vorteil zunutze. Die Schiffe von Hapag-Lloyd servieren in ihren Salons Becking Kaffee.

Schacht will seinen Umsatz von drei Millionen Euro im laufenden Jahr durch den Aufbau neuer Vertriebskanäle erhöhen, auf insgesamt "vier bis fünf Millionen Euro", schätzt der Jurist. Nachdem Hamburger Edeka-Supermärkte wie Niemerszein, Glasmeyer oder Struve bereits Becking Kaffee führen, sollen in den nächsten Monaten auch niedersächsische Edeka-Läden die Marke im Regal haben. Außerdem entwickelt Schacht Miniröstereien für den Handel, wie sie jetzt schon bei Edeka in Winterhude zu finden sind, und exklusive Espressobars. Pflegeprodukte wie Kaffeepeeling und -seife runden das Sortiment der Firma ab.

Das überraschend große Angebot rund um das beliebte Genussmittel entspringt der Kreativität eines Kaufmanns, der vor gar nicht langer Zeit noch absoluter Kaffeelaie war. Erst vor einigen Jahren hat Schacht die Firma von dem inzwischen verstorbenen Helmut Becking übernommen. Becking hatte damals aus Altersgründen aufhören wollen, Schacht war sein Anwalt. Mit Partner Wychodil rettete Schacht die 1928 gegründete Traditionsmarke. Beide sind Juristen, doch Schacht verschlang etliche Bücher über die braunen Bohnen, bereiste die Plantagen in aller Welt. "Es ist herrlich, noch einmal neu anzufangen", freut sich der Unternehmer aus Rotherbaum. Der Kaffee bringt heute nicht nur Leben in das alte Kraftwerk in Altona. Sondern gibt auch seinem Leben neuen Sinn.