Klares Bekenntnis des Mineralölkonzerns zum Standort Hamburg. Bis zu 80 neue Arbeitsplätze sollen entstehen

Hamburg. Die gute Partnerschaft mit Audi, Daimler und anderen deutschen Autoherstellern hat geholfen. Auch die Attraktivität der Hansestadt als Lebensraum. "Und nicht zuletzt die zahlreichen Forschungsinstitute in der Stadt", sagt Wolfgang Warnecke. Der Wissenschaftler leitet das Labor des Mineralölkonzerns Shell in Hamburg. Jetzt hat der Mutterkonzern beschlossen, das Zentrum zum weltweit wichtigsten Standort des Unternehmens in den Bereichen Kraft- und Schmierstoffe, Marine sowie Motoren- und Fahrzeugtests auszubauen. "Wir werden die Anlage vergrößern und 50 bis 80 neue Mitarbeiter einstellen", sagte Warnecke gestern zu Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos). Derzeit arbeiten in dem Labor im Hafen bereits rund 220 Chemiker, Ingenieure verschiedener Fachrichtungen, Techniker und Laboranten. "Das Forschungsgebiet von Shell passt gut zum Standort Hamburg", sagte Horch.

"Wir stehen mit Blick auf die künftige Energieversorgung vor gewaltigen Herausforderungen. Durch die steigende Weltbevölkerung wird sich der Energiebedarf bis 2050 voraussichtlich verdoppeln", sagte Peter Blauwhoff, Chef von Shell Deutschland. "Unsere Aufgabe ist es, diesen Bedarf auf sichere, bezahlbare und vor allem nachhaltige Art und Weise zu decken."

Dabei komme auch der Schmier- und Kraftstofftechnologie eine Schlüsselrolle zu. Unter anderem wird im Hamburger Labor an Kraftstoffsorten mit niedrigerem Verbrauch gearbeitet sowie an Schmierstoffen, die im Motor dafür sorgen, dass der Benzin- oder Dieselverbrauch bei gleicher Fahrleistung sinkt. In Kooperation mit dem chinesischen Lkw-Hersteller FAW konnte Shell den Verbrauch mit einem neuen Motorenschmierstoff um zehn Prozent reduzieren. Doch in Hamburg dreht sich die Forschung nicht nur um das Sparen, sondern auch um Luxusprodukte. "Wir liefern alle Schmierstoffe für Ferrari", sagte Warnecke.

Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Zahl der Autos von heute 900 Millionen weltweit bis 2035 laut Prognosen auf 1,7 Milliarden steigen könnten, steige der Handlungsdruck. Parallel zum Verkauf von Mineralöl arbeitet Shell an alternativen Antriebsformen wie Wasserstoff und Brennstoffzelle, Elektromobilität oder auch Biosprit sowie Flüssig- und Erdgas. "Was sich letztendlich in Zukunft am Markt durchsetzen wird, kann heute noch niemand sagen", so Warnecke.

Horch zeigte sich sehr interessiert an den Forschungen. "Hamburg als Innovationsstandort wird in herausragender Weise davon profitieren, dass sich die Expertise von Shell hier konzentriert. Aber auch für Shell sind unsere zahlreichen Forschungseinrichtungen ein wesentlicher Grund, sich hier zu vergrößern. Diese Zusammenarbeit wollen wir in der Zukunft insbesondere im Bereich der Mobilität und bei der Schifffahrt ausbauen und intensivieren." So könnten unter anderem künftig Autobatterien von Elektrofahrzeugen oder Landstromanlagen für die Kreuzfahrtschiffe im Hafen mit regenerativ erzeugtem Windstrom aus Hamburg und Umgebung versorgt werden.

Der Mineralölkonzern hat in den vergangenen Monaten seine gesamten Forschungsaktivitäten auf den Prüfstand gestellt. Unter anderem wurde ein Werk in Großbritannien geschlossen, das in die gleiche Richtung geforscht hat wie das Hamburger Labor.

Warnecke, den Shell inzwischen zum weltweiten Chefwissenschaftler in seinem Bereich ernannt hat, will die Forschungsstätte im Hamburger Hafen um rund 2500 Quadratmeter vergrößern. "Die Bauanträge stehen kurz vor der Einreichung", sagte er. Die benötigte Fläche ist am Standort Hohe Schaarstraße vorhanden, weil das Mineralölunternehmen seine Kraftstoffraffinerie aufgegeben hat. Gleichzeitig wurde die benachbarte Anlage zur Herstellung von Schmierstoffen für 25 Jahre an den schwedischen Mineralölkonzern Nynas verpachtet. Von den insgesamt 530 Mitarbeitern, die Shell zuletzt in beiden Hamburger Anlagen beschäftigte, werden von Nynas allerdings nur 220 übernommen.