Es wirkt nicht sehr überzeugend, wenn das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) vor den anstehenden Tarifrunden errechnet, dass die Lohnstückkosten in der deutschen Industrie mutmaßlich zu hoch seien. Zu laut tönt aus der Analyse die Botschaft an die Gewerkschaften, bei den nächsten Entgeltverhandlungen tunlichst Zurückhaltung zu üben.

Die Reallöhne in Deutschland sind in vielen Branchen über Jahre geschrumpft. Die Gewerkschaften und die ihr nahestehende Politik sprechen mitunter bereits von einem "Billiglohnland". Das mag ebenso übertrieben sein wie stereotype Warnungen vor zu hohen Lohnabschlüssen. Tatsache ist: Aus Europa musste sich die deutsche Wirtschaft in jüngerer Zeit massive Kritik anhören. Deutschland habe sich durch Lohnverzicht jahrelang so auf Stärke getrimmt, dass europäische Nachbarn insbesondere im Süden um ihre Exportchancen gebracht würden. Tatsächlich verkaufen deutsche Automobilhersteller oder Maschinenbauer so viel wie nie zuvor.

Die Erfolge speziell der deutschen Exportindustrie belegen, dass Gewerkschaften und Arbeitgeber in den vergangenen Jahren maßvolle Abschlüsse getroffen haben. Vor allem aber sind sie ein eindrucksvolles Zeugnis für die Qualität und die technologische Modernität der Produkte "made in Germany". Diese Faktoren geben letztlich den Ausschlag dafür, dass sich die deutsche Industrie durch alle Krisen hinweg behaupten und Marktanteile gewinnen konnte. Sie sind wichtiger als die Lohnstückkosten. Das aber verschweigen sowohl das IW wie auch Deutschlands Kritiker in Europa.