Autobauer verliert Marktanteile. Werk Bochum könnte laut Experten zur Disposition stehen

Hamburg. Die überraschende Absage der Opel-Mutter General Motors (GM) an Staatshilfen mag zwar die Bundesregierung gefreut haben, aber bei den Beschäftigten des Autobauers löste dies neue Befürchtungen aus. "Eine doppelte Sicherheit hätte uns gutgetan", sagte gestern der Eisenacher Opel-Betriebsratsvorsitzende Harald Lieske. Auch im Opel-Stammwerk wird die jüngste Kehrtwende der US-Mutter mit Skepsis aufgenommen. "Wenn GM sich an die Absprachen hält, ist es okay, aber bei GM ist man nie hundert Prozent sicher", sagte ein Mitarbeiter im Rüsselsheimer Werk.

Denn obwohl GM in den nächsten fünf Jahren elf Milliarden Euro in Opel und die britische Schwestergesellschaft Vauxhall stecken will, ist die Zukunft des Autobauers laut Experten noch nicht gesichert. "GM hat in den vergangenen eineinhalb Jahren viel Zeit verloren. Opel ist gegenüber den Wettbewerbern zurückgefallen", sagte Stefan Bratzel, Automarktexperte an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach, dem Abendblatt. Der Name Opel sei zu schwach geworden, gerade bei den jüngeren Käufern. Als kürzlich vom Center of Automotive, das Bratzel leitet, Verbraucher zwischen 18 und 25 Jahren nach ihren Präferenzen befragt wurden, war das Ergebnis für Opel deprimierend. Der Autobauer schnitt als "die mit weitem Abstand uninteressanteste Marke" ab - hinter der Billigmarke Dacia und dem italienischen Autobauer Fiat. Besonders negativ hätten die Befragten Design und Image von Opel bewertet, so Bratzel.

"Die Entscheidung von GM gegen Staatshilfen ist zwar ein Befreiungsschlag, weil Opel nun die Chance hat, aus den negativen Schlagzeilen zu kommen. Aber als Nachteil wirkt sich aus, dass Opel ausschließlich auf dem stagnierenden europäischen Automarkt aktiv ist", sagt Bratzel. Um zu wachsen, müsse Opel den Wettbewerbern Marktanteile abnehmen. Doch das werde schwierig. "Opel ist durch sein Warten auf Staatsbürgschaften zur lahmen Ente geworden", resümiert der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer.

Der Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler rät Opel deswegen zu einem Neustart. Kurzfristig sei das Unternehmen durch GM-Hilfe zwar gerettet. Langfristig werde der Autobauer aber nicht um tiefe Einschnitte herumkommen. Dazu gehöre auch die Schließung eines Werkes wie dem in Bochum. "Wenn ein Kranker auf der Intensivstation liegt und Hustensaft bekommt, nützt das nichts, wenn in Wirklichkeit nur noch eine schwere Operation hilft", sagt Pieper.

"Wenn die jetzt in die Hände spucken, steigt auch das Ansehen wieder", ist hingegen Wolfgang Meinig überzeugt, der die Forschungsstelle für Automobilwirtschaft in Bamberg leitet. "In den vergangenen Monaten war doch kein Opelaner mehr konzentriert. Alle redeten nur noch über GM und die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze", fügt Meinig hinzu. Darunter habe die Effizienz gelitten. Mit dem Geld des Mutterkonzerns und den von den Beschäftigten zugesagten milliardenschweren Lohneinbußen können die Rüsselsheimer dringend benötigte Neuentwicklungen von Modellen und Antrieben finanzieren. Ohne das hätte Opel nach Überzeugung von Experten in absehbarer Zeit das Aus gedroht.