Anleihen in Höhe von knapp 5,2 Milliarden Euro mit Zinsaufschlag an den Kapitalmärkten platziert. Ökonomen sehen Land nicht als Pleitekandidaten

Hamburg. Spanien stemmt sich mit aller Kraft dagegen, ein Kandidat für den 750 Milliarden schweren Rettungsschirm der Euro-Länder zu werden. Um aus eigener Kraft aus der Krise zu kommen, hat das Land gestern zwei Anleihen im Gesamtvolumen von 5,2 Milliarden Euro an den Finanzmärkten platziert. Doch der Preis war hoch. Spanien musste seinen Anlegern höhere Zinsen als die bisher bei Staatsanleihen üblichen bezahlen.

Der Satz für die einjährige Anleihe betrug 2,45 Prozent anstatt 1,69 Prozent bei früheren Emissionen. Für die 18-Monats-Anleihe stiegen die Zinsen von 2,05 Prozent, die noch im Mai bezahlt werden mussten, auf aktuell 2,9 Prozent. Heute sollen nochmals 3,5 Milliarden Euro in zwei Anleihen platziert werden, mit längeren Laufzeiten von zehn und 30 Jahren.


Die höheren Zinsen heizten gestern Spekulationen an, wonach das Land doch noch bei der EU Bürgschaften und Hilfen beantragen muss. Dem widersprachen vom Abendblatt befragte Experten. "Spanien ist nicht auf den Rettungsschirm der EU angewiesen", sagte Michael Bräuninger, Leiter der Konjunkturforschung beim Hamburger Wirtschaftsforschungsinstitut HWWI. "Aber es muss seine Probleme lösen. Dazu gehören die mit 20 Prozent hohe Arbeitslosenquote und die Immobilienkrise." Guido Zimmermann, Staatsschuldenexperte der Landesbank Baden-Württemberg, macht die "Eigendynamik der Märkte" für den hohen Zinsaufschlag verantwortlich. "Spanien hat keine Solvenzkrise. Das Land hat sogar eine niedrigere Schuldenquote und ein stabileres Bankensystem als Deutschland. Spanien kann sich besser gegen die Krise stemmen als Griechenland." Jochen Intelmann, Chefvolkswirt der Hamburger Sparkasse, ergänzt, dass "das Land ein fast so gutes Rating" wie Deutschland hat.

Dennoch ächzt das Land unter der Krise. Die Banken und Sparkassen haben kein Vertrauen mehr in die Zukunft und leihen sich kaum noch untereinander Geld. Das hat dazu geführt, dass die Europäische Zentralbank (EZB) immer häufiger aushelfen musste. Nach einem Bericht der Zeitung "El País" liehen sich die Institute im Mai insgesamt erstmals mehr als 85 Milliarden Euro von der EZB. Das entspreche 16,5 Prozent des in der Euro-Zone ausgeliehenen Geldes der Zentralbank. Der Anteil des spanischen Bruttoinlandsprodukts in der Europäischen Union belaufe sich auf etwa neun Prozent. Im vergangenen Jahr seien beide Zahlen etwa gleichgewichtig gewesen. Inzwischen haben erste Institute mit bisherigen Konkurrenten fusionieren müssen. So soll der Markt konsolidiert werden.


Die EU-Kommission hat zwar die Sparanstrengungen Spaniens gelobt, gleichzeitig hat sie aber Spanien und Portugal zu einem härteren Sparkurs gedrängt. Beide Länder müssten ihre Haushaltspläne für das kommende Jahr "präzisieren", sagte der finnische Wirtschaftskommissar Olli Rehn gestern in Straßburg. Spanien hat bereits Einschnitte in Höhe von 65 Milliarden Euro angekündigt, auch Portugal will sein Haushaltsdefizit deutlich senken. Nötig seien weitere Einsparungen im Umfang von 1,75 Prozent der Wirtschaftsleistung für Spanien und 1,5 Prozent für Portugal, so Rehn. Das deutsche Sparpaket will die EU laut Rehn auch genauer unter die Lupe nehmen. Die Bundesregierung müsse noch einige Fragen zur Wirksamkeit der geplanten Einsparungen von mehr als 86 Milliarden Euro beantworten.

Obwohl Spaniens Sparbemühungen vor allem die Bevölkerung treffen, ist die Stimmung in dem Land laut Peter Moser, Geschäftsführer der Deutschen Handelskammer in Spanien, noch gelassen. "Auch die Ankündigung eines Generalstreiks für Ende September wird eher als eine Pflichtübung der Gewerkschaften gewertet", sagte er dem Abendblatt.

Insgesamt gibt es in dem Land rund 1200 Niederlassungen deutscher Firmen, darunter auch Industriebetriebe. "Die Unternehmen berichten zum Teil schon über eine leichte Besserung der Auftragslage seit diesem Frühjahr. Wir gehen davon aus, dass die meisten deutschen Firmen auch aufgrund ihrer überaus guten Ergebnisse zwischen 1995 und 2008 ihr Engagement in Spanien insgesamt positiv bewerten", so Moser.

Spaniens Wirtschaft leidet vor allem darunter, dass das Wachstum in den vergangenen Jahren in der Hauptsache vom Bauboom und der Tourismuswirtschaft getragen wurde. Vor allem die Bau- und Immobilienbranche liegt nun am Boden. "Eine deutliche Besserung der Lage ist auf Jahre hinaus nicht zu erwarten", sagte Moser. Derzeit stehen rund eine Million Wohnungen leer. Auch Hotelprojekte wurden eingestellt, zeugen jetzt als halb fertige Bauten vom Platzen des Booms. Rund zwölf Prozent weniger Briten und zehn Prozent weniger deutsche Touristen als früher besuchen das Land. Wer Glück hat und seine Zimmer noch vermieten kann, muss Einbußen beim Preis verkraften. Kein Wunder also, dass Deutschlands Lieblingsinsel Mallorca derzeit offensiv um russische Gäste wirbt. Die geben mehr Geld auf der Insel aus als die inzwischen sparsamen Westeuropäer.