Verbände kritisieren Ausbildungsstand Hamburger Schüler. Motivation und Belastungsfähigkeit seien ungenügend.

Hamburg. Die Kritik der Handwerkskammer am Hamburger Schulsystem schlägt Wellen. Auch die Handelskammer, der Arbeitgeberverband Nordmetall und der AGA Unternehmensverband Groß- und Außenhandel sind mit dem Bildungsstand Hamburger Schüler unzufrieden. "Der Gymnasiast, der sich 2010 bewirbt, ist beim Lesen und in der Rechenkompetenz schwächer als vor 20 Jahren. Das gilt für alle Schulformen", sagte Nordmetall-Sprecher Peter Haas dem Abendblatt. Handwerkskammer-Präsident Josef Katzer hatte zuvor im Abendblatt-Interview ein Drittel aller Jugendlichen in Hamburg als "nicht ausbildungsfähig" bezeichnet. "Das bisherige Schulsystem hat versagt", sagte Katzer.

Eine Reaktion auf die schwierige Situation bei der Einstellung von Lehrlingen bei Nordmetall sind die Eignungstests, die die 103 Hamburger Nordmetall-Firmen inzwischen eingeführt haben. "Wir können den Zeugnisnoten nicht mehr uneingeschränkt trauen", sagte Haas. Die Branche, die 2009 insgesamt 1368 Lehrstellen besetzt hat, profitiert jedoch davon, dass große Betriebe wie Körber, Airbus oder Jungheinrich zu ihren Mitgliedern zählen. "Bei diesen Betrieben bewerben sich vor allem Jugendliche, die in der Schule besser abgeschlossen haben", so Haas.

Auch die Handelskammer geht davon aus, dass bei der Hamburger Schulausbildung "etwas im Argen liegt", wie Fin Mohaupt, Leiter Ausbildungsberatung bei der Kammer, dem Abendblatt sagte. Indiz dafür: Noch immer kommt fast die Hälfte der Auszubildenden in Hamburg aus dem Umland, vor allem aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Nach einer Umfrage der Kammer beklagen Hamburger Betriebe aber auch fehlende Sozialkompetenzen der angehenden Lehrlinge. "Dazu gehören mangelnde Disziplin, Belastungsfähigkeit und Motivation", so Mohaupt. Moniert wird aber auch Rechenschwäche. Immerhin 18 Prozent der zum Jahresbeginn von der Kammer befragten 432 Betriebe konnten ihre Lehrstellen 2009 nicht besetzen. Oft fehle es den Jugendlichen auch an einer realistischen Einschätzung darüber, welche Ausbildung sie schaffen könnten.

Für schwächere Schüler gibt es bereits Berufe, bei denen die Ausbildung auf zwei Jahre begrenzt wurde. "Diese absolviert in Hamburg schon jeder zehnte Jugendliche", so Mohaupt. So beginnen das kaufmännische Rechnen und die Buchführung, für die Mathematikkenntnisse nötig sind, für angehende Einzelhandelskaufleute erst nach Abschluss der vorgeschalteten Verkäuferausbildung.

"Die Qualität der Schulabschlüsse muss deutlich gesteigert werden", fordert AGA-Hauptgeschäftsführer Volker Tschirch. Im Gegensatz zur Handwerkskammer erwartet der AGA von der Primarschule keine besseren Schulabgänger. "Unsere Firmen befürchten ein eher schlechteres Niveau."