Die Deutschen geben immer mehr Geld für ihre Tiere aus. Kleidung, Therapien und sogar Schwimmbäder liegen im Trend.

Hamburg. Bei der Krankengymnastik war Junior in seinem Element. Der Labradorrüde bekam nach einer Kreuzbandoperation Massagen, Bewegungsspiele und Schwimmen verordnet, die Lieblingsdisziplin seiner Rasse.

Die Hamburger Hundekrankengymnastin Kerstin Hartz hat es möglich gemacht: Im vergangenen Oktober eröffnete sie in Hohenfelde ihre Praxis für Hundephysiotherapie - in einer ehemaligen Tankstelle. Wo heute die Vierbeiner im ersten Hundeschwimmbad Hamburgs planschen, war früher die Waschanlage.

Das Leben des Vierbeiners ist nicht mehr das, was es einmal war

Nicht nur die alte Tankstelle hat sich massiv verändert. Auch ein Hundeleben ist heute nicht mehr das, was es einmal war. Rund ums Haustier hat sich eine Milliardenindustrie entwickelt, die mit einiger Zeitverzögerung den teils skurrilen Entwicklungen in den USA hinterherhinkt. Dort machen Hund und Herrchen beim "Doga" zusammen Yoga-Übungen und mit Pet Airways hat gerade die erste Fluggesellschaft nur für Tiere den Betrieb aufgenommen - hierzulande undenkbar. Noch. Denn ein Schwimmbad für Hunde wäre vor zehn Jahren wohl auch als absurd empfunden worden. Heute läuft das Geschäft. "Für viele Menschen ist es ein logischer Schritt, auch mit ihrem Hund zur Krankengymnastik und zum Schwimmen zu gehen", sagt Tiertherapeutin Hartz.

Denn: Der Trend geht dahin, das eigene Tier ebenso wie sich selbst zu behandeln, sagt Detlev Nolte vom Industrieverband Heimtierbedarf. Oder sogar besser: Während der gesamte deutsche Einzelhandel 2009 über Umsatzeinbußen klagte, wuchs der Heimtiermarkt nach Verbandszahlen deutlich. Mit 3,6 Milliarden Euro gaben die Bundesbürger selbst in der Wirtschaftskrise zwei Prozent mehr für Futter und Zubehör für ihre vierbeinigen Lieblinge aus als 2008. Davon profitieren auch Ketten wie das Futterhaus: Mit einem zweistelligen Umsatzwachstum auf 182 Millionen Euro im Jahr 2009 ist der Zoohändler aus Elmshorn die Nummer zwei im deutschen Markt. Bis zu 30 neue Läden sollen jedes Jahr in Deutschland zu den vorhandenen 222 Filialen hinzukommen. Schneller wächst nur der Marktführer Fressnapf aus Krefeld, der in diesem Jahr 100 neue Märkte plant.

Konditorin Antje Lehmann backt für allergische Tiere

Diese Expansionspläne zeigen, wie lukrativ der Verkauf von Tierfutter ist - und das, obwohl der Lebensmitteleinzelhandel dem Fachhandel zunehmend Konkurrenz macht. "Wir erzielen unsere Hauptumsätze mit Tiernahrung für Hund und Katze", sagt eine Futterhaus-Sprecherin. Das verhält sich in ganz Deutschland so: 75 Prozent des Umsatzes im Heimtiermarkt wird nach Angaben des Industrieverbands mit Tiernahrung gemacht.

Die normalen Leckerlis und Konserven, die im Zoofachhandel im Regal liegen, sind aber nicht allen Hundehaltern gut genug. In Hamburg gibt es für sie reichlich Alternativen: Mehrere Hundekonditoreien verdienen ihre Brötchen mit Spezialprodukten für Vierbeiner. "Viele Hunde haben Allergien gegen Weizen- und Maismehle oder künstliche Zusatzstoffe", sagt Antje Lehmann. Seit 2004 führt sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten eine Backstube am Rübenkamp und beliefert Tierhalter und Geschäfte bundesweit mit Gebäck nach Hundegeschmack. Das zahlt sich offenbar aus: Lehmanns Leberpralinen, Leberwurstcroissants und Seelachstrüffel aus natürlichen Zutaten sind so beliebt, dass bald eine Aushilfe nötig wird. Vor allem zu Weihnachten und Ostern, wenn die Hundehalter Präsente für ihre Vierbeiner bestellen.

Die Ausstattung reicht vom Bett bis zur Sonnenbrille

Statt Leckerlis darf es als Geschenk für Bello auch gern ein neues Mäntelchen oder ein WM-Trikot mit "Schweinsteiger"- oder "Bellack"-Aufschrift sein. Denn auch das Zubehörsortiment verkauft sich immer besser: 2009 stiegen die bundesweiten Ausgaben für Bedarfsartikel für Hunde und Katzen um mehr als drei Prozent auf insgesamt 329 Millionen Euro.

Findige Menschen haben das Wachstumspotenzial in diesem Bereich erkannt. So haben sich in Hamburg mehrere Tierboutiquen mit ausgefeiltem Sortiment angesiedelt. Eine davon gehört Futterhaus-Gründer Herwig Eggerstedt, der aus der Boutique V.I.Pets am Mittelweg am liebsten eine weitere Kette machen würde. "Was bei den Menschen gerade Thema ist, schwappt auch auf die Hunde über", sagt Boutiqueleiterin Nicole Meins. Deshalb verkauft sie Matratzen aus neuartigem Schaum, der sich an den Körper anpasst. Und Conditioner für empfindliches Hundehaar. Zu Weihnachten backt Meins dann Leberwurstkekse im ladeneigenen Ofen. Die Tiere sollen es zum Fest schließlich schön haben.

Nebenbei produziert Meins in Mecklenburg-Vorpommern ihre eigene Kollektion für Hundemode, Kissen und Decken. "So skurril wie in den USA geht es in Deutschland aber nicht zu", sagt sie. "Hier muss der praktische Aspekt im Vordergrund stehen - der Hund soll sich schließlich wohlfühlen."

Das sieht man auch bei der Wirtschaftsgemeinschaft Zoologischer Fachbetriebe so. "Wir befürworten alles, was dem Tier guttut", sagt Geschäftsführer Herbert Bollhöfer. Es gebe Produkte, die nur auf den ersten Blick skurril erscheinen: Hundeschuhe etwa, die im Winter für Hunde mit empfindlichen Pfoten zu empfehlen seien. "Oder auch Sonnenbrillen für im Cabrio mitfahrende Hunde", sagt Bollhöfer.

Hunde haben die Wahl zwischen Psychologen und Heilpraktikern

Die Bereitschaft vieler Menschen, ihr Haustier einzukleiden, weich zu betten, zu therapieren und makrobiotisch zu ernähren, hat eine ganze Dienstleistungsindustrie ins Leben gerufen. "Der Dienstleistungssektor wächst generell - und Tiere werden immer wichtiger genommen", heißt es bei der Handelskammer Hamburg. So verwundert es kaum, dass es in der Hansestadt mittlerweile mehrere Tierfriedhöfe gibt. Zudem Psychologen, Heilpraktiker, Friseure, Pensionen und Kitas, die auf Hunde spezialisiert sind. Deren Umsätze werden zwar nicht taxiert, die Wirtschaftsprofessorin Renate Ohr bilanzierte aber schon im Jahr 2006 knapp vier Milliarden Euro direkt belegbare Umsätze für deutsche Hunde.

Neuheiten wie Hamburgs erstes Hundeschwimmbad dürften die Verdienste mit Tieren noch steigern. "Krankengymnastik für Tiere ist ein wachsender Markt", sagt Kerstin Hartz. Bis zu acht Hunde behandelt sie mittlerweile täglich, bei den meisten geht es um Schmerzlinderung. Aber nicht nur: "Auch die Nachfrage nach Wellness für den Hund nimmt zu." Also Wohlfühlmassagen, Aroma- oder Wärmetherapien. So wie bei Frauchen eben.