Vorwurf der Bilanzfälschung. Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Manager

Hamburg. Der angeschlagene Hamburger Solaranlagenanbieter Conergy kommt nicht aus den negativen Schlagzeilen heraus. Voraussichtlich im August muss sich das Unternehmen wegen des Verdachts der Bilanzfälschung vor Gericht verantworten. Konkret geht es um Konzernmitteilungen und Bilanzierungen aus den Jahren 2006 und 2007. Damals galt Conergy an der Börse als gute Anlage. Der Aktienkurs lag über 20 Euro. Anleger hofften auf weitere Kurssteigerungen. Das Gegenteil trat ein - am Freitag notierte das Papier nur noch um die 75 Cent.

Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt bereits wegen des Verdachts auf Bilanzfälschung, Insiderhandels und Kursmanipulation gegen zehn ehemalige Vorstände und Manager, darunter den Conergy-Gründer und langjährigen Unternehmenschef Hans-Martin Rüter. Er ist ein Neffe des derzeitigen Vorstandschefs Dieter Ammer, der zuvor den Aufsichtsrat von Conergy geleitet hatte. Auch Ammer ist in die Ermittlungen einbezogen. Conergy wollte sich am Freitag zu dem laufenden Verfahren nicht äußern, aber eine Anklage ist noch nicht erhoben worden.

Auch Aktionäre fühlen sich von dem Unternehmen getäuscht. Sie werfen Conergy vor, sich 2006 und 2007 wider besseres Wissen als prosperierender Konzern dargestellt zu haben. Der 25. Oktober 2007 markierte den Wendepunkt. Statt Erfolge zu vermelden, musste der Solaranlagenbauer damals überraschend eine Gewinnwarnung veröffentlichen und somit eingestehen, dass Umsatz und Ergebnis doch nicht so gut waren, wie es zuvor schien. Hinzu kam, dass das Unternehmen Lieferverzögerungen bei Solarmodulen und Silizium einräumen musste, die zu Umsatzeinbußen geführt haben. Der Kurs der Aktie ging in den Sinkflug über und hat sich bis heute kaum erholt. Conergy selbst hat inzwischen verschiedene Schadenersatzansprüche gegen Altvorstände erhoben und rechtliche Schritte gegen diese eingeleitet.

Insgesamt gibt es rund 20 Klagen von Kapitalanlegern gegen das Unternehmen. Allein 13 Kläger werden von der Münchner Kanzlei Rotter Rechtsanwälte vertreten. Nun hat das zuständige Hamburger Landgericht auf Drängen von Conergy eine sogenannte Musterentscheidung beantragt, damit die Sachlage in einem Verfahren geklärt werden kann. Dem wurde stattgegeben, der Prozess findet vor dem Oberlandesgericht statt. "Wir begrüßen die Einleitung dieses Musterverfahrens. Dies wird den Gesamtprozess vereinfachen und Kosten sparen", sagte Unternehmenssprecher Alexander Leinhos dem Abendblatt.

2007, als der Vorwurf der Bilanzfälschung aufkam, stand Conergy schon fast vor der Insolvenz. Zu schnell hatte Rüter die Gesellschaft in neue Märkte und weitere Geschäftsfelder wie etwa die Wind- und die Biomasseenergie getrieben. Er wollte einen Ökoenergiekonzern schmieden. Dass dies scheiterte, führte zu einem Familienzerwürfnis. Der frühere Tchibo-Chef Ammer, schon damals Großaktionär von Conergy, drängte seinen Neffen aus der Unternehmensspitze heraus. Zuvor hatte er Rüter immer gefördert und ihn auch bei der Firmengründung unterstützt.

Nach Rüters Abgang stutzte Ammer Conergy auf das Kerngeschäft Solarenergie zurück. Bereiche wurden verkauft, Stellen abgebaut. Ammer besorgte der Solarfirma zunächst einen 240 Millionen Euro schweren Überbrückungskredit und warb dann Investoren, die 400 Millionen Euro an Kapital nachlegten. Vor allem wegen der Kosten für die Sanierung summierte sich der Verlust in den Geschäftsjahren 2007 bis 2009 auf knapp 600 Millionen Euro. Die Zahl der Beschäftigten sank bis Ende 2009 um rund 1000 auf derzeit rund 1700 Mitarbeiter.

Die ersten Erfolge konnte Ammer in diesem Jahr melden. Im ersten Quartal steigerte der Solarkonzern im Vergleich zum Vorjahresquartal den Umsatz um 165 Prozent auf 150,3 Millionen Euro. Zudem schreibt das Unternehmen nach Jahren der Durststrecke wieder schwarze Zahlen. Der Conergy-Chef ist zuversichtlich, dass sich die Erholungsphase fortsetzen wird. Allerdings braucht das Unternehmen weiterhin Bankkredite. Doch bei seinen jüngsten Verhandlungen über die Finanzierung des Konzerns hatte Ammer bislang noch keinen Erfolg. Deswegen musste er bereits die Veröffentlichung testierter Bilanzen und die Hauptversammlung des Unternehmens verschieben.