In vielen Unternehmen kommt es zu Streiks. Beschäftigte in Fabriken bekommen 120 Euro Lohn für 60-Stunden-Woche

Peking. Streiks, zunehmende Klagen über Ausbeutung, wachsende Unzufriedenheit unter Wanderarbeitern - möglicherweise wird das Ende der Billiglöhne im Reich der Mitte eingeläutet. Immer lauter wird in China der Ruf nach besserer Bezahlung, immer größer wird der Arbeitskräftemangel. In den vergangenen Wochen gab es Arbeitsniederlegungen bei Unternehmen in den Provinzen Guangdong, Yunnan, Henan, Gansu, Shandong und Jiangsu, wie chinesische Medien berichten. Prominentestes Beispiel ist der japanische Autobauer Honda, dessen Produktion in China durch einen Streik unter den 1800 Arbeitern in einem Getriebewerk in Foshan lahmgelegt wurde.

Schon der südkoreanische Autohersteller Hyundai musste vergangene Woche in einem Teilewerk in Peking Lohnerhöhungen von zehn und 15 Prozent in zwei Schritten zusagen, um einen Streik zu beenden. Symptomatisch für die Unzufriedenheit und auch die Hoffnungslosigkeit vieler schlecht bezahlter Wanderarbeiter ist auch die Selbstmordserie beim weltgrößten Elektronikhersteller Foxconn. 13 seiner Mitarbeiter im Werk im südchinesischen Shenzhen versuchten einen Selbstmord, zehn kamen ums Leben. Um aus der Kritik zu kommen, erhöhte das Unternehmen seinen Mindestlohn um 30 Prozent von 900 auf 1200 Yuan, umgerechnet 143 Euro.

Mit Überstunden kommt ein Fabrikarbeiter in China meist auf eine Wochenarbeitszeit von rund 60 Stunden. Damit verdient er zwischen 1000 und 1900 Yuan, umgerechnet 120 bis 220 Euro. Doch haben viele das Gefühl, trotz harter Arbeit die Armut nicht wirklich hinter sich lassen zu können. Ihre wachsende Unzufriedenheit verschärft den Druck auf die Politik. Mehrere Provinzen haben schon Erhöhungen der vorgeschriebenen Mindestlöhne zwischen zwölf und 28 Prozent vorgenommen, doch keine über 1120 Yuan (heute 133 Euro) hinaus, was kaum ausreichen wird, die Probleme zu lösen.

"Unsere Wirtschaft kann sich nicht länger darauf stützen, die Bezüge der Beschäftigten zu drücken, weil die Arbeiter das nicht mehr länger hinnehmen wollen", sagte Chang Kai, Direktor des Instituts für Arbeit an der Volksuniversität in Peking, der "China Daily". Experten sagen bereits das Ende des Modells der "Fabrik der Welt" voraus.

Überhaupt haben Chinas Arbeiter bisher am wenigsten vom chinesischen Wirtschaftswunder profitiert. Ihre Löhne wuchsen bei Weitem nicht so schnell wie Chinas Wirtschaft. Der Anteil der Einkommen an der Wirtschaftsleistung fiel zwischen 1993 und 2007 sogar von rund 50 auf 40 Prozent.

Es müsse ein neues Entwicklungsmodell her, fordern chinesische Kommentatoren. Nicht nur wegen der wachsenden Einkommenskluft müssten die Bezüge armer Arbeiter dringend erhöht werden. Auch seien höhere Löhne notwendig, um den Konsum anzukurbeln, ohne den kein nachhaltiges Wachstum erreicht werden könne.