EU will die Bonitätsprüfer stärker überwachen. Euro auf Talfahrt wegen Sorgen um Frankreichs Note

Hamburg. Nach Griechenland und Spanien droht nun auch Frankreich zur Belastung für den Euro zu werden. Der Kurs der Gemeinschaftswährung rutschte gestern zeitweise auf ein Vierjahrestief von 1,2112 Dollar ab, nachdem am Devisenmarkt die Sorge aufgekommen war, Frankreich könne bei den Ratingagenturen die Bestnote "AAA" für die Kreditwürdigkeit verlieren - so wie zuvor Spanien.

Unterdessen soll der Unmut, den sich die drei internationalen Agenturen Standard & Poor's, Moody's und Fitch aus der europäischen Politik zugezogen haben, für sie nun Konsequenzen nach sich ziehen: Heute will EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier in Brüssel einen Vorschlag für ein neues Regelwerk vorstellen, wie das "Handelsblatt" berichtet.

Demnach sollen die Unternehmen strenger kontrolliert und bei Regelverstößen bestraft werden. Dafür solle die geplante europäische Börsenaufsicht ESMA umfangreiche Ermittlungsbefugnisse erhalten. Barnier reagiert damit offenbar auf die wachsende Kritik an den Bonitätsprüfern.

Die EU sei verärgert über die Herabstufung von Staatsanleihen hoch verschuldeter Mitgliedstaaten, wobei es weniger um die Noten selbst als vielmehr um den Zeitpunkt ihrer Verkündung geht, heißt es. So hatte Fitch am vergangenen Freitag die Einstufung spanischer Anleihen gesenkt, obwohl die dortige Regierung unmittelbar zuvor ein umfangreiches Sparprogramm beschloss. Griechenland war es ähnlich ergangen.

"Mit den Herabstufung Griechenlands haben die Agenturen eine katastrophale Spekulationswelle ausgelöst", sagte der Bremer Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel dem Abendblatt. Er sehe eine grundsätzliche Schwierigkeit: "Ratingagenturen sollen Informationen liefern, die der Öffentlichkeit nicht ohne Weiteres zugänglich sind. Das ist im Grunde eine hoheitliche Aufgabe, aber die Agenturen sind privatwirtschaftliche Unternehmen - was zu Problemen führt." Zudem seien sie in das "Interessensystem" des US-Finanzsektors eingebunden.

"Wir brauchen Ratingagenturen, die auf Europa konzentriert sind", sagte Hickel. Am besten ließe sich dies nach seiner Auffassung mit einer neuen, an die Europäische Zentralbank (EZB) angebundenen Institution realisieren. "Es besteht aber die Gefahr, dass ihr die Märkte nicht hinreichend vertrauen würden", so der Professor. Er begrüßt daher den Vorstoß der EU-Kommission, die bestehenden Agenturen sehr viel stärker zu überwachen. Nach Hickels Vorstellung müssten die Bonitätsprüfer nicht nur transparent offenlegen, wie sie zu ihren Urteilen kommen, sondern sie müssten auch den Zeitpunkt der Veröffentlichung begründen können.

"Es gab sicher die eine oder andere Entscheidung, hinter die man ein Fragezeichen setzen kann", meint auch Andreas Rees, Deutschland-Chefvolkswirt von Unicredit. Im Hinblick auf die aktuelle Diskussion um die Einstufung Frankreichs rät er aber, "die Kirche im Dorf zu lassen".

Sollte die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU die Note "AAA" tatsächlich verlieren, würde dies den Euro-Kurs nach Einschätzung des Experten zwar noch deutlich weiter abwärts treiben. "Aber das ist ein Worst-Case-Szenario. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass es zu dieser Herabstufung kommt", sagte Rees dem Abendblatt.

Zwar erwartet die EU für Frankreich 2010 ein Budgetdefizit von immerhin acht Prozent, verglichen mit mehr als neun Prozent in Spanien und mit fünf Prozent in Deutschland. "Es zeichnen sich in Frankreich aber Einsparungen und Reformen ab, etwa die Anhebung des Rentenalters", erklärte Rees. "Ohnehin kann man Frankreich nicht mit Spanien vergleichen, denn dort ist mit dem Immobilienmarkt eines der wesentlichen Geschäftsmodelle der Wirtschaft weggebrochen."

Frankreichs Haushaltsminister François Baroin gab sich gestern jedenfalls zuversichtlich, die Rating-Bestnote behalten zu dürfen: "Es gibt keinen Zweifel, es gibt kein Risiko (...), weil wir entschlossen in ein neues Zeitalter der Haushaltspolitik eingetreten sind."