Hamburger Tarifparteien uneins. Furcht vor neuer Billigkonkurrenz aus Polen und Tschechien.

Hamburg. Bei Kälte, Schnee und Regen draußen stehen und ein Industrieunternehmen oder einen Firmeneingang bewachen. Schichten, die auch mal zwölf statt acht Stunden dauern können, weil die Ablösung ausgeblieben ist. Das alles für 6,80 Euro pro Stunde in der untersten Lohngruppe in Hamburg. Damit kommt Herbert K., einer von 6000 Beschäftigten bei Wachunternehmen in der Hansestadt, auf einen Verdienst von knapp 1200 Euro im Monat, bei 50 Überstunden sind es etwas über 1500 Euro brutto. Für den Familienvater reicht das nicht - der Staat muss helfen.

Die Lage der bundesweit knapp 170 000 Beschäftigten wird jetzt zwar verbessert. Denn die Gewerkschaft Ver.di und der Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS) haben sich auf einen bundesweiten Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde bis Anfang 2013 verständigt. Der Ver.di-Landesbezirk Hamburg geht jedoch mit weitergehenden Forderungen in die am 29. April beginnenden Tarifverhandlungen. So sollen die 7,50 Euro in Hamburg bereits 2011 erreicht werden und die tariflichen Stundenlöhne zwischen 0,35 und 1,30 Euro steigen. Ver.di-Mitglieder sollen zudem eine Erholungsbeihilfe von 300 Euro bekommen. "Wir haben zuletzt vor allem im unteren Bereich Entgeltverbesserungen erzielt, nun sollen auch die höheren Gruppen wie die über zwei Jahre ausgebildeten Fachkräfte für Schutz und Sicherheit oder die U- und S-Bahn-Wachen mehr Geld erhalten", sagt der zuständige Ver.di-Fachsekretär Peter Bremme.

Die Verhandlungen werden nicht leicht. "Auch wir spüren die Krise. So finden in Hamburg derzeit weniger Veranstaltungen statt, für die Sicherheitskräfte benötigt werden. Und viele Kunden schnallen den Gürtel enger", sagt Jens Müller, Hamburger Landesvorsitzender des BDWS und Geschäftsführer der mit 2000 Beschäftigten größten Sicherheitsfirma Securitas in der Hansestadt. Müller nennt die Ver.di-Forderungen zum "jetzigen Zeitpunkt unangemessen".

Für Bremme dagegen ist die Lage der Branche in Hamburg "auskömmlich", zumal Banken und Industriefirmen durchaus bereit seien, für gut ausgebildetes Personal über dem Tarif liegende Löhne einzukalkulieren. "Das gilt auch für die Bahn, die Hochbahn, Vattenfall oder die Polizei", so Oliver Meliß, Securitas-Betriebsrat und Mitglied der Ver.di-Tarifkommission.

Der Tarifkonflikt wird jedoch den Schulterschluss von Gewerkschaft und Arbeitgebern bei der geplanten Einführung des Mindestlohns nicht beeinträchtigen. Die nach und nach steigenden Entgelte sind die gemeinsame Antwort auf den freien Zugang aller Arbeitskräfte in der EU zu den Ländern der Gemeinschaft. Denn gerade für Sicherheitsunternehmen aus Polen oder Tschechien mit Mindestlöhnen von 1,76 Euro oder 1,82 Euro ist der deutsche Markt besonders interessant. Immerhin wurden dort auch im Krisenjahr 2009 noch mehr als vier Milliarden Euro umgesetzt.

Entscheidend für die Branche ist dabei, dass die Vereinbarung für allgemein verbindlich erklärt wird. "Dann muss jeder Anbieter den Mindestlohn zahlen, auch ausländische Firmen, die im Bundesgebiet anbieten", sagt Oliver Arning, Sprecher des BDWS-Bundesverbandes.

Zuständig ist Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Grünes Licht muss ihr eine sechsköpfige Kommission geben, der je drei Mitglieder des Ministeriums und des Deutschen Gewerkschaftsbundes angehören. Ihr Votum muss einstimmig ausfallen. "Das wird noch bis zum Herbst dauern", sagt Bremme. Der Regionaltarifvertrag soll bis dahin längst abgeschlossen sein.