Berlin. Die Deutsche Bahn ist dem teuersten Zukauf ihrer Geschichte gestern ein Stück nähergekommen. Der Aufsichtsrat habe das Milliarden-Übernahmeangebot für den britischen Verkehrskonzern Arriva gebilligt, hieß es aus Kreisen des Gremiums. "Dort wurde für die Offerte gestimmt", sagte ein Teilnehmer der Sitzung. Das Angebot beläuft sich demnach auf 775 englische Pence pro Arriva-Aktie. Einschließlich der Schulden von 960 Millionen Euro würde die Bahn das Unternehmen danach gut 2,7 Milliarden Euro kosten. Arriva betreibt in zwölf Ländern Europas Bus- und Bahnlinien. Es ist eines der wenigen größeren Verkehrsunternehmen, die nicht von einem Staat kontrolliert werden.

Bei einem Kauf gilt es allerdings als sicher, dass sich Arriva aus Kartellgründen von seinen deutschen Töchtern trennen müsste: Als Konkurrent treten die Briten seit 2004 im Nahverkehr gegen die Deutsche Bahn an. So sind sie etwa an der ostdeutschen Eisenbahn (ODEG) und Metronom beteiligt. Der Gesamtkonzern mit Sitz im englischen Sunderland erzielte 2008 mit 44 000 Mitarbeitern einen Umsatz von 3,5 Milliarden Euro.

Arriva ist dabei vor allem im liberalisierten Markt in Großbritannien unterwegs, der als besonders attraktiv gilt. Dort hat der deutsche Staatskonzern bereits die Güterbahn EWS gekauft und ist auf einigen Strecken auch im Personenverkehr aktiv.

Auch Keolis, eine Tochter der französischen Bahn SNCF, hatte zuletzt Gespräche mit Arriva geführt. Offenbar rechnet die Bahn weiter mit einem Gegenangebot von Seiten der Franzosen: Wenn ein anderes Unternehmen mehr für Arriva bietet, sollte der Präsidial-Ausschuss des Aufsichtsrates ermächtigt werden, ein neues Angebot vorzulegen, hatte der Vorstand dem Aufsichtsrat vorgeschlagen. Der Aufsichtsrat änderte nach Angaben von Teilnehmern jedoch diesen Passus: "Das Gebot liegt eher an der oberen Grenzen dessen, was Arriva Wert ist", sagte ein Aufsichtsrat. Dies habe das Gremium deutlich gemacht. Das Bieterverfahren soll heute beginnen.

Bei Verkehrspolitikern stößt das Projekt jedoch auf Widerstand: Der unter Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn begonnene Größenwahn gehe unter seinem Nachfolger Rüdiger Grube weiter, kritisierte der Grünen-Politiker Anton Hofreiter. Grube solle lieber einen besseren Verkehr in Deutschland organisieren. Außerdem werde die Bahn mit dem Erwerb zum größten Busbetreiber in Europa und das sei wettbewerbsschädlich. Auch in Kreisen der FDP gab es Kritik: Durch den Aufkauf von Arriva würde ein privates Unternehmen faktisch verstaatlicht.

Sollte die Übernahme klappen, rückt auch das von Bahnchef Rüdiger Grube genannte Ziel einer Reduzierung der Schulden in weite Ferne. Nach der Einkaufstour unter Mehdorn ist die DB immer noch mit gut 15 Milliarden Euro verschuldet. Nun müsse sich die Bahn für die Übernahme Geld am Kapitalmarkt leihen, wodurch ihr "ohnehin schon gewaltiger Schuldenberg" weiter wachse, kritisiert der Verkehrsclub Deutschland. Auch er empfiehlt Grube, sich stärker auf heimische Strecken zu konzentrieren.