Unternehmen setzen in der Krise auf Innovationen und Effizienz. Und viele Branchen zeigen für das Jahr 2010 wieder Zuversicht.

Hamburg. Aus der Sicht der Messegesellschaft kommt die Industrieschau genau zur richtigen Zeit: Die Branchenkonjunktur steht am Beginn der erwarteten Erholung - und es gibt viele neue Entwicklungen, die einem weltweiten Publikum präsentiert werden sollen. "Gerade in schwierigen Zeiten konzentriert sich die Industrie auf Innovationen", sagt die Hannoveraner Messesprecherin Brigitte Mahnken-Brandhorst. Mehr als 4800 Aussteller hatten sich angemeldet - das wäre eine Auslastung auf dem Niveau des Boomjahres 2008.

Der Gedanke der Nachhaltigkeit und speziell die Energieeffizienz sei in diesem Jahr das Trendthema auf der Messe, so Mahnken-Brandhorst. Dabei geht es etwa um "intelligente" Stromnetze, die besser auf einen wachsenden Anteil alternativer Energieerzeugung etwa durch Windkraftwerke und Fotovoltaik mit ihren stark schwankenden Einspeisungen eingerichtet sind. Es geht aber auch um energiesparenden Leichtbau bei Fahrzeugen und um die Elektromobilität. Sie wird erstmals in einer eigenen Teilmesse - eine von neun in Hannover - mit dem Titel MobiliTec und immerhin rund 100 Ausstellern präsentiert. Im Rahmen der MobiliTec, die künftig jährlich stattfinden soll, können Besucher innovative Fahrzeuge auf zwei speziell angelegten Teststrecken sogar Probe fahren.

Vor Ort ist auch der Elektrofahrzeughändler blue planet vehicles aus Groß Borstel, der den aus französischer Produktion stammenden Kleinwagen eCity und einen strombetriebenen Motorroller vorstellen will. Das Team von acht Personen unter dem Dach der Softwarefirma M & R, das erst seit Jahresanfang 2010 im Geschäft ist, will sich zwar auf die Metropolregion Hamburg als Absatzgebiet beschränken und ist daher nicht in erster Linie wegen möglicher Kundenkontakte in Hannover. "Es macht für uns aber dennoch Sinn, dort präsent zu sein", sagt André Podszus von blue planet vehicles, "weil wir zeigen können, dass in der Elektromobilität die Phase der Ankündigungen vorbei ist: Die Fahrzeuge, die wir ausstellen, kann man kaufen."

Ebenfalls auf der MobiliTec vertreten ist der Hamburger Gabelstaplerbauer Still. Er bringt einen Stapler mit Hybridantrieb und Bremsenergierückgewinnung mit sowie einen zweiten Stapler, der über eine Brennstoffzelle betrieben wird. "Solche fortschrittlichen Technologien haben immer gleich zwei positive Effekte: Man senkt die Treibstoffkosten und reduziert die CO2-Emissionen", erklärt Marketingleiter Christian Baerwolff das Interesse des Herstellers und seiner Kunden an den neuartigen Antrieben. Beide Fahrzeugtypen befänden sich aktuell im Testbetrieb, aber schon ein bereits in Serie gebauter Hybridstapler von Still ohne die Bremsenergierückgewinnung verbrauche nur 2,5 Liter Diesel pro Stunde, verglichen mit vier bis fünf Litern bei herkömmlichen Antrieben, so Baerwolff.

Nicht nur angesichts solcher Zukunftstechnologien hellen sich die Perspektiven für die deutsche Industrie aktuell spürbar auf. So gehen alle vier der wichtigsten Sparten für das Jahr 2010 wieder von steigenden Exporten aus, wie eine Umfrage des Abendblatts ergab (siehe Grafik). Im Maschinenbau, dem beschäftigungsstärksten Sektor, lagen die Umsätze zwar nach Angaben des Verbands VDMA in den ersten Monaten noch unter dem Vorjahresniveau. Für die kommenden Monate erwarte man aber Zuwächse.

Die Elektroindustrie rechnet mit einem Produktionsanstieg um drei bis vier Prozent. Eine "gewisse Vorsicht" im Hinblick auf die Konjunkturerholung sei jedoch weiter geboten, sagt Andreas Gontermann, Chefvolkswirt des Branchenverbands ZVEI. Im Vergleich zum vergangenen Sommer sei zwar die Auslastung der Fertigungskapazitäten schon von 72 auf 77 Prozent gestiegen, der langfristige Schnitt liege aber bei 83 Prozent.

Wegen der Abwrackprämie wird die Autoindustrie die Zahl von 3,8 Millionen Neuzulassungen auf dem heimischen Markt nicht annähernd erreichen können - die Prognose für 2010 sieht einen Rückgang auf 2,75 Millionen bis 3,0 Millionen Fahrzeuge vor. Dafür können die deutschen Hersteller nach Einschätzung des Verbands der Deutschen Automobilindustrie (VDA) aber vom weltweiten Anstieg der Nachfrage von 55 Millionen auf rund 57 Millionen Pkw profitieren. Aktuell ziehe die Produktion jedenfalls wieder an.

In der Chemiebranche überwiegt die Zuversicht, dass es in den kommenden Monaten keinen konjunkturellen Rückschlag geben wird und die Nachfrage weiter zunimmt. Für das Jahr 2010 rechnet der Verband der Chemischen Industrie (VCI) mit einem Produktionswachstum von fünf Prozent. Allerdings werde es noch einige Zeit dauern, bis man an das Vorkrisenniveau anknüpfen könne.

Trotz des Erholungskurses wecken die vier Verbände keine Hoffnung darauf, dass der Verlust von zusammengenommen mehr als 100 000 Arbeitsplätzen im vorigen Jahr so bald wieder aufgeholt wird. Allenfalls gleichbleibende Beschäftigung ist demnach für dieses Jahr zu erwarten, im Maschinenbau müssten manche Betriebe das Personal sogar noch weiter abbauen.