Brüssel. Der rosa-gelbe Babystrampler ist verziert mit aufgeklebten Blümchen und Pailletten. Doch das niedliche Leibchen aus China birgt tödliche Gefahren: Der Stoff enthält die Giftchemikalie Anilin, und löst sich eine der Pailletten, kann das Kind sie verschlucken. Das ist nur eines der 1993 gefährlichen Produkte, die Kontrolleure europaweit 2009 an das EU-Schnellwarnsystem Rapex gemeldet haben. Das sind sieben Prozent mehr als 2008 und eine Vervierfachung seit der Einführung von Rapex vor vier Jahren. Die Dunkelziffer liegt nach Ansicht von Fachleuten deutlich darüber.

Zwar will EU-Verbraucherkommissar John Dalli in dem neuerlichen Anstieg keine generelle Zunahme gefährlicher Konsumgüter auf Europas Märkten sehen, sondern vielmehr ein Zeichen der effizienten Überwachungssysteme in den Mitgliedstaaten und der guten Zusammenarbeit mit Rapex. Doch er muss einräumen: Die EU hat derzeit ihre Möglichkeiten ausgeschöpft. Jetzt sind die nationalen Regierungen gefragt, das Sicherheitsnetz wasserdichter zu machen.

Die Zahlen zeigen den Handlungsbedarf: Am häufigsten beanstandeten Händler oder Verbraucherschützer Kinderspielzeuge (28 Prozent) und Kleidung (23), danach folgen mit etwas Abstand Fahrzeuge (neun) und Elektrogeräte (acht). Der weitaus größte Anteil kam erneut mit 60 Prozent aus China (plus ein Prozentpunkt). Insgesamt stammen 80 Prozent der Spielzeuge in Europa aus China. Demnächst will Dalli nach China reisen, um mit den Behörden zu reden - damit sie "noch mehr Fortschritte machen", wie er diplomatisch formuliert. Aus Europa stammte ein Fünftel der gemeldeten Waren, bei sieben Prozent war das Produktionsland unbekannt. Die meisten gefährlichen Produkte meldete Spanien (220), gefolgt von Deutschland (187) und Griechenland (154).

Unter den Produkten, die die Kommission exemplarisch vorstellte, waren Nachtlichtstecker für Kinder oder Handmixer, die Elektroschocks verursachen. Ein nicht isolierter Wasserkocher war halb geschmolzen, ein Heizofen angekokelt. Ein Laserpointer kann wegen zu starken Lichts Sehschäden, ein Feuerzeug Brandverletzungen, ein mit Dimethylfumarat behandeltes Ledersofa Allergien verursachen.

Besonders gefährdet sind Kinder: Zu lange Kordeln an Pullis und T-Shirts drohen ihre kleinen Träger zu erdrosseln. Karnevalsperücken können schnell in Flammen aufgehen, Lebensmittelimitate aus weichem Plastik verspeist und Kleinteile verschluckt werden. Eine gesonderte Marktstudie aus 13 EU-Ländern zeigte, dass ein Fünftel der Kinderspielzeuge nicht den Sicherheitsstandards entspricht. Die meisten davon hatten Probleme mit der Mechanik.

Dalli sieht jetzt in erster Linie die Mitgliedstaaten in der Pflicht. So sehe die EU-Richtlinie bereits die Möglichkeit von Sanktionen auf Importeure von Gefahrenprodukten vor. Sie auch anzuwenden sei aber Sache der Staaten. "Die Mitgliedstaaten müssen für Strafen sorgen, die abschrecken", fordert der Malteser. Notwendig seien auch mehr Ressourcen für die Kontrolleure. Deutlicher wird die SPD-Europaabgeordnete Evelyne Gebhardt. Unsichere Produkte dürften nicht erst auf den europäischen Markt gelangen - das müsse ein "entscheidendes Ziel" sein.