Hamburg. Wachsender politischer Druck in Schweden und Deutschland, auf sogenannte grüne Energien zu setzen, sowie die Notwendigkeit, das Treibhausgas CO2 einzusparen: Der staatseigene schwedische Vattenfall-Konzern vergrößert seine Anstrengungen, in neue Formen der Strom- und Wärmeerzeugung zu investieren. Neben den Bereichen Windkraft, Wasserstoff und Elektromobilität, die das Unternehmen allesamt in Hamburg angesiedelt hat, sind auch weitere Biomassekraftwerke geplant. Europaweit betreibt der Konzern laut Min-ku Chung, dem Biomasseexperten von Vattenfall, bereits 40 Anlagen. "In Deutschland haben wir zwei Projekte, eines in der Lausitz - und eines in Hamburg", sagte er.

In der Hamburger Müllverbrennungsanlage Borsigstraße wird zudem seit 2005 Altholz zur Stromerzeugung verarbeitet. Gleichzeitig werden dort und auch in der Vattenfall-Anlage am Rugendamm pro Jahr jeweils 320 000 Tonnen Abfall verbrannt, der zu 60 Prozent aus Biomasse besteht. "Im Mai beginnen wir mit dem Bau eines weiteren Biomassekraftwerks im Haferweg in Altona", sagte der Hamburger Vattenfall-Chef Rainer Schubach. Ende 2011 soll das mit Holzschnipseln betriebene Blockheizkraftwerk Wärme für 13 000 Haushalte in der Stadt liefern. Zudem wird mit dieser Technik Strom erzeugt, den Vattenfall ins allgemein zugängliche Netz einspeisen will.

Nachdem bereits seit einigen Jahren vor allem kleinere Anbieter auf Biomasse- oder Biogasanlagen setzen, kommen mit Vattenfall und anderen Stromkonzernen inzwischen auch größere Versorger auf den Markt. Bundesweit sind laut dem Bundesverband BioEnergie bereits mehr als 1100 Biomassekraftwerke in Betrieb, in denen Holz und andere ökologische Abfälle zu Wärme und/oder Strom umgewandelt werden. Der Anteil dieser Anlagen am Mix der deutschen Stromversorgung hat sich - wenn auch insgesamt noch im bescheidenen einstelligen Prozentbereich - zwischen 1997 und 2009 auf 95 650 Gigawattstunden mehr als verdoppelt. Eine Gigawattstunde entspricht einer Million Kilowattstunden.

Vor allem wenn Holz oder andere Pflanzenreste als Brennstoff eingesetzt werden, verläuft die Erzeugung klimaneutral. Denn der Atmosphäre wird bei der Verbrennung exakt genauso viel CO2 zugeführt, wie ihr die Pflanzen während ihres Wachstumsprozesses entzogen haben. Vattenfall will bei der neuen Anlage, in der jedes Jahr 78 000 Tonnen Biomasse verarbeitet werden sollen, hauptsächlich naturbelassenes Holz in Form von Schnipseln oder Hackselstückchen einsetzen. "Wir konzentrieren uns auf Waldrestholz wie Kronen oder Äste oder Industrieholz, das als Abfall bei Sägewerken übrig bleibt, und auf Landschaftspflegematerial, also Baum- und Strauchteile", sagte Schubach. Die Brennmasse solle aus der Region kommen und schon im geschnetzelten Zustand am Haferweg angeliefert werden. "Im schlimmsten Fall würde dies pro Tag 18 Lkw-Fuhren bedeuten", meinte der Hamburger Vattenfall-Statthalter im Hinblick auf die drohende zusätzliche Verkehrsbelastung durch die Transporte.

Da es nicht genügend Holzabfälle gibt, entstehen in Deutschland inzwischen immer mehr sogenannte Holzplantagen. Auf für die Landwirtschaft stillgelegten Flächen werden - auch mit Förderung des Bundeslandwirtschaftsministeriums - Haine mit schnell wachsenden Bäumen wie Weiden oder Pappeln angelegt. Diese werden dann regelmäßig abgeerntet und sind laut Min-ku Chung als Rohstoff auch für Vattenfall interessant.

Schnell gewachsen ist in den vergangenen Jahren auch die Anzahl der Biogasanlagen. In ihnen werden Futterpflanzen wie Getreide oder Mais vergoren, sodass Gas entsteht. Dieses wird konventionellem Gas beigemischt, das dann als Biogas auf den Markt kommt. "In Deutschland sind inzwischen bereits rund 4500 Biogasanlagen in Betrieb", sagte Andrea Horbelt, Pressesprecherin vom Fachverband Biogas, dem Abendblatt. Im Jahr 2008 sollen es 4000 Anlagen gewesen sein. Viele der Projekte sind jedoch kleiner als Biomassekraftwerke.

Durch die Müllverbrennungsanlagen verarbeitet Vattenfall bereits heute 540 000 Tonnen Abfall pro Jahr zur Energieversorgung. Spätestens 2013 bis 2014 sollen es 740 000 Tonnen sein. "Neben dem Haferweg wollen wir künftig auch im Kohlekraftwerk Tiefstack Biomasse mitverbrennen", so Schubach. Eine Jahresmenge von 120 000 Tonnen ist für die Anlage vorgesehen. Damit könnten 40 000 der derzeitig benötigten 600 000 Tonnen Kohle und damit auch entsprechend CO2 eingespart werden.

Schon vor der jetzt verstärkten Offensive für erneuerbare Energien konnte Vattenfall in Deutschland nach einem Kundenverlust in der Vergangenheit wieder zulegen. "Allein seit Jahresanfang haben wir 100 000 neue Kunden bekommen", sagte Schubach. In Hamburg jedoch blieb der Marktanteil mit 82 Prozent stabil. "Die Kunden kamen aus dem übrigen Bundesgebiet zu uns", so Schubach.