Um Pleitegerüchte zu entkräften, legt der Manager seine Vermögensverhältnisse offen. Das Ergebnis sorgt für viele Überraschungen.

Düsseldorf. Ein bisschen bitter ist dieses Lachen von Thomas Middelhoff schon. In der Lobby des Düsseldorfer Nobelhotels, direkt neben dem Ledersessel, in dem der frühere Arcandor-Chef sich niedergelassen hat, liegt ausgerechnet ein Brettspiel: "Mensch ärgere Dich nicht." Middelhoff sagt es nicht, aber es wirkt so, als ob er sich ärgert. Darüber, dass er 2001 ausgerechnet an Josef Esch geraten ist und dass er dessen Dienstleistungen auch außerhalb der Vermögensverwaltung so gern angenommen hat.

Esch ist jener öffentlichkeitsscheue frühere Bauunternehmer aus Troisdorf bei Köln, der sich Stück für Stück zum Anlageberater und Steuersparideengeber für die Reichen dieses Landes entwickelt hat. Dem auch die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz und die Gesellschafter der Bank Sal. Oppenheim ihr Geld anvertraut hatten. Und mit dem Middelhoff nach seinem Rauswurf als Vorstandschef beim Medienkonzern Bertelsmann ins Geschäft kam.

Sieben der inzwischen berühmt-berüchtigten Oppenheim-Esch-Fonds hat Middelhoff gezeichnet. Es sind Immobilienfonds, darunter fünf mit Häusern des Warenhauskonzerns Karstadt. Ein paar Jahre lang haben ihm diese Fonds einträgliche Renditen gebracht, vor allem aber brachten sie ihm Ärger. Denn als er 2004 Aufsichtsratschef bei KarstadtQuelle wurde, die Karstadt-Fonds aber behielt, war er praktisch Mieter und Vermieter zugleich. Interessenverquickung, lautete der Vorwurf. Die Staatsanwaltschaft untersucht die Verhältnisse bereits seit dem vergangenen Jahr. Jetzt bringen die Esch-Fonds den Mann, der Millionen verdiente und anlegen konnte, sogar in den Verdacht, selber klamm zu sein: Denn die Bank Sal. Oppenheim hat eine üppige Wertberichtigung auf einen Kredit an Thomas Middelhoff vorgenommen - ein höchst unangenehmer Misstrauensbeweis gegen den Finanzfachmann, dessen Reputation schon durch die Insolvenz von Arcandor schwer gelitten hat.

Die Sache ist - wie so oft, wenn es um Middelhoff, Oppenheim und Esch geht - kompliziert. Middelhoff hatte sich bei Oppenheim 107 Millionen Euro geliehen, um seine Anteile an den Oppenheim-Esch-Fonds bezahlen zu können. Die Zinsen für derlei Immobilienkredite lassen sich steuerlich absetzen, das macht ein solches Investment für Großverdiener erst richtig interessant. Im Sommer und Herbst 2009 kommen zwei Dinge zusammen: Zum einen steckt Arcandor in der Insolvenz. Damit kann die Tochter Karstadt die Mietverträge für die Oppenheim-Esch-Warenhäuser in Potsdam, Leipzig, Karlsruhe und München (Oberpollinger) kündigen oder zumindest die Miethöhe drücken. Der Mietausfall schlägt sofort auf den Kontoauszug der Fondszeichner durch. Zum anderen gerät Sal. Oppenheim - größter Aktionär des insolventen Arcandor-Konzerns - ins Schlingern. Das Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleitungen (BaFin) startet eine Sonderprüfung der Bank.

In deren Auftrag untersucht die Unternehmensberatung Deloitte, ob Oppenheim noch Risikokredite in den Büchern hat. Die Prüfer stoßen auf Middelhoffs 107-Millionen-Kredit, der nur durch wenige Vermögenswerte, vor allem aber durch die Fondsanteile selbst gesichert war. Bei dieser Konstruktion werden die anfallenden Zinsen des Kredits im Idealfall durch die Mieteinnahmen des Fonds mehr als gedeckt. Da zu diesem Zeitpunkt jedoch unklar ist, ob oder wie viel Miete von der insolventen Karstadt AG überhaupt noch kommt, sieht Deloitte beim Middelhoff-Kredit zu viel Risiko. Der Manager soll mehr als 50 Millionen Euro zusätzliche Sicherheiten herbeischaffen. Als das gerüchteweise bekannt wird, heißt es in Finanzkreisen, der Mann stehe kurz vor der Pleite. Ein solches Gerücht konnte Middelhoff, der inzwischen mit dem Unternehmensberater Roland Berger und dem Investmentbanker Florian Lahnstein die Investmentgesellschaft BLM betreibt, nun gar nicht gebrauchen. Der Mann tat - nicht zum ersten Mal - etwas Überraschendes: Er legte der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) seine Vermögensverhältnisse offen, jedenfalls einen Teil davon. Und daraus ergibt sich, oh Wunder: Middelhoff ist mitnichten pleite. Er konnte die zusätzlichen Sicherheiten beibringen - nach eigenen Angaben besaß er 50 Millionen Euro Festgeld. Die Zahlen über seine Einkommensverhältnisse, die er bei dieser Offensivverteidigung preisgab, überraschen selbst Middelhoff-Kenner. Allein im Jahr 2005, als er auf den Posten des Vorstandsvorsitzenden von KarstadtQuelle gewechselt war, verdiente er nach eigenen Angaben über 21 Millionen Euro. Bei KarstadtQuelle allerdings kassierte er in dem Jahr als Vorstandsvorsitzender laut Geschäftsbericht gerade 955 000 Euro.

Woher kam der Rest? Ein paar Millionen kamen sicher aus London. 2005 legte Middelhoff mit seinem Wechsel nach Essen seinen lukrativen Job als Europachef des Londoner Investors Investcorp nieder. Dort hatte er persönlich Millionen mit dem Kauf und Verkauf des Parkhausbetreibers Apcoa verdient. Jetzt, nach dem Ausscheiden, bekam er laut "SZ" über Jahre immer noch üppige "Exit Fees" von Investcorp, allein 2007 etwa 3,4 Millionen Euro. Insgesamt verdiente er 2007 fast 13 Millionen Euro - etwa so viel wie der Vorstandschef der Deutschen Bank, Josef Ackermann. Immer wieder hatte Middelhoff in den Jahren zuvor bei Kritik an seinem Gehalt bei KarstadtQuelle/Arcandor behauptet, er hätte noch viel mehr verdienen können, wenn er bei Investcorp geblieben wäre. Mit Kenntnis dieser Zahlen muss man einräumen, dass Middelhoff in diesem Punkt nicht ganz unrecht hatte. Bei seinem Ausscheiden bei Arcandor im Februar 2009 - seine neue Firma BLM war bereits gegründet - machte Middelhoff eine neue Geldquelle auf: Sal. Oppenheim. Mit der Bank schloss er einen Beratervertrag ab. Der Manager sollte den Großaktionär mit Arcandor-Informationen und Kontakten unterstützen. Doch bereits nach der Insolvenz im Juni 2009 wurde der Vertrag aufgelöst und die ausstehenden Beträge ausgezahlt. Zehn Millionen Euro soll Sal. Oppenheim Middelhoff überwiesen haben, nach anderen Informationen war die Summe geringer. Die Zahlung tröstete Middelhoff wohl etwas darüber hinweg, dass wegen der Insolvenz sein Arcandor-Ruhegeld von 12 000 Euro pro Monat ab 2011 gestrichen wurde.

Auch dass er die zwei Millionen Euro aus dem Aufhebungsvertrag bei Arcandor nicht erhält, dürfte Middelhoff verschmerzen. Allerdings bereiten ihm auch die Oppenheim-Esch-Fonds keine Freude. Nach der Insolvenz reduzierte Esch die Miete für die Karstadt-Häuser um fast ein Drittel. Entsprechend gingen die Einnahmen der Fondszeichner - unter ihnen Middelhoff - herunter. Da die Zinszahlungen gleichzeitig unverändert weiterliefen, ging die Rechnung mit dem kreditfinanzierten Fondskauf nicht mehr auf: Die Kapitalkosten waren durch die Mieteinnahmen nicht mehr gedeckt, die Rendite war dahin. Für die Karstadt-Mitarbeiter, die wegen der unklaren Zukunft der Warenhauskette noch immer um ihre 2000-Euro-Brutto-Jobs fürchten müssen, dürfte der Trost ein gar zu kleiner sein: Auch ihr ehemaliger Chef, der so viel Geld verdient, ist mit seinen Millionen wohl nicht glücklich geworden.