Die US-Justiz ermittelt. Der Stuttgarter Konzern bietet 185 Millionen Dollar als Vergleich an, um einen Prozess zu verhindern.

Hamburg. Es ist nicht immer der mit Geldscheinbündeln gefüllte Koffer wie im Film. Manchmal ist es auch ein S-Klasse-Mercedes, eine Luxusreise oder ein Hochzeitspräsent für die Kinder von Regierungsbeamten. Wie Siemens hat offenbar auch Daimler über viele Jahre mit großzügigen Geschenken nachgeholfen, um an lukrative Großaufträge zu kommen.

In 22 Ländern soll der Autoriese Daimler bestochen haben - davon geht die US-Justiz aus. Um einem langwierigen, aufsehenerregenden Prozess mit dem hohen Risiko einer Verurteilung zu entgehen, wolle der Stuttgarter Konzern in einem Vergleich 185 Millionen Dollar (138 Millionen Euro) zahlen, hieß es in unterrichteten Kreisen in Washington. Bedingung für die Einstellung des Verfahrens sei, dass sich Ländergesellschaften in einer Anhörung am 1. April schuldig bekennen. Nach Informationen der "Financial Times Deutschland" muss sich der Konzern zudem künftig zwei Jahre lang vom früheren Chef der US-Bundespolizei FBI, Louis Freeh, überwachen lassen.

Zwar will sich Daimler bisher nicht zu Einzelheiten des Prozesses äußern. Das Unternehmen räumte aber bereits vor Jahren ein, dass es Bestechungen gegeben hat. Auf Seite 226 des Geschäftsberichts 2009 heißt es, eine interne Untersuchung habe festgestellt, dass in einer Reihe von Ländern, "primär in Afrika, Asien und Osteuropa, unsachgemäße Zahlungen erfolgt sind". Dem US-Justizministerium zufolge ging es insgesamt um Beträge in zweistelliger Millionenhöhe.

In der Siemens-Affäre, deren Aufdeckung Ende 2006 begann, sollen bis zu 1,3 Milliarden Euro in schwarzen Kassen verschwunden sein. Bis heute kostete das Verfahren den Elektrokonzern mindestens 2,5 Milliarden Euro, allein 600 Millionen Euro mussten an US-Behörden gezahlt werden. Beim Lastwagenbauer MAN könnten internen Ermittlungen zufolge mehr als 50 Millionen Euro an Schmiergeldern für Aufträge geflossen sein, die Affäre hatte ein Bußgeld von rund 150 Millionen Euro zur Folge.

"Der Fall Daimler muss in einer Reihe mit denen bei Siemens und MAN genannt werden", sagte Christian Humborg, Landesgeschäftsführer von Transparency International, dem Abendblatt. Trotz der spektakulären Affären bei deutschen Konzernen seien Schmiergeldzahlungen keineswegs eine deutsche Spezialität, meint Humborg. So nahmen britische Behörden gestern drei Manager der französischen Industriegruppe Alstom unter Korruptionsverdacht fest. Und im Februar zahlte der britische Rüstungskonzern BAE Systems insgesamt 400 Millionen Dollar in den USA und in Großbritannien, um Prozesse abzuwenden.

Wenn zuletzt mehrfach deutsche Unternehmen in die Schlagzeilen gerieten, so liegt dies nach Einschätzung von Humborg auch daran, dass in Deutschland die Bestechung konsequenter verfolgt wird als in etlichen anderen Staaten. "Hinzu kommt, dass viele deutsche Unternehmen im Ausland sehr aktiv sind."

Es sei kein Zufall, dass gerade Großkonzerne mit Beteiligungen oder einer Börsennotierung in den USA besonders im Fokus stehen, meint der Wirtschaftsrechtler Michael Adams von der Uni Hamburg: "In New York gibt es Anwaltsbüros, die Anklagen wegen Korruption als fantastisches Geschäftsfeld entdeckt haben." Denn die Anwälte könnten 20 bis 30 Prozent der von den Firmen geleisteten Vergleichszahlungen einstreichen. "Der Fall Siemens hat diese Büros regelrecht elektrisiert", so Adams. Um weitere Schmiergeldvorwürfe künftig zu vermeiden, hat Daimler-Chef Dieter Zetsche bereits Vorkehrungen getroffen: Seit Anfang 2008 gibt es einen Korruptionsbeauftragten, außerdem werden Geschäfte stärker auf mögliches Fehlverhalten hin überwacht.

"Für die Beschäftigten ist es sehr gefährlich geworden, sich weiter so zu verhalten wie früher", sagte Adams. "Zahlreiche Unternehmen haben absolut richtige Vorkehrungen getroffen, um Korruption künftig zu verhindern", findet auch Humborg. Nach seiner Ansicht reicht dies aber nicht in jedem Fall aus: "Wenn man Bestechung nicht mehr zulassen will, kann dies bedeuten, in bestimmten Ländern keine Geschäfte mehr zu machen. Es gibt Beispiele für Konzerne, die diese Konsequenz gezogen haben."

Humborg kann sich jedoch eine bessere Verwendung für das Geld, das Daimler nun im Rahmen eines Vergleichs an die USA überweist, vorstellen: "Viel besser wäre es, wenn die Millionen zum Beispiel Schulen und Krankenhäusern in den Ländern, in denen Schmiergelder gezahlt wurden, zugute kämen. Denn unter einem von Korruption zerfressenen System leiden besonders die Ärmsten der Armen."