Karlsruher Urteil stärkt die Rechte der Verbraucher. Preise müssen künftig transparent gestaltet sein.

Hamburg. Für Aribert Peters war das Urteil längst überfällig. Schließlich zählte der Vorsitzende des Bunds der Energieverbraucher selbst zu den Klägern. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat gestern entschieden, dass die Gaspreise in Deutschland nicht automatisch mit zeitlicher Verzögerung erhöht werden dürfen, nachdem die Kosten für leichtes Heizöl gestiegen sind. Dieser Mechanismus, der unter dem Begriff Ölpreisbindung bekannt ist, benachteilige die Verbraucher unangemessen, so die Karlsruher Richter. Verlierer des Prozesses waren die Stadtwerke Dreieich in Hessen und Rheinenergie im Rheinland.

Die Preisbindung von Gas und Heizöl sorgt seit Jahren für Unmut bei Politikern und für Ärger bei Verbrauchern. "Es ist gut, dass die Preise jetzt transparent sein müssen", sagte Peters. So können Gaskunden mit einer alleinigen Begründung wegen der Ölpreisbindung künftige Preiserhöhungen ihrer Lieferanten verweigern. Denn bei einer ungültigen Klausel gibt es dafür keinen rechtlichen Grund mehr. Ob bereits bezahlte Mehrkosten vom Versorger zurückgefordert werden können, hängt allerdings vom Einzelfall ab.

Die Verbraucher können zudem davon profitieren, dass ihr Gaslieferant nicht mehr seine Preise erhöhen darf, wenn gleichzeitig steigende Bezugspreise durch Kostensenkungen in anderen Bereichen - etwa bei Netz- und Vertriebskosten oder über Personaleinsparungen - aufgefangen werden konnten.

Das Verbot des BGH, der höchsten deutschen Instanz in Zivil- und Strafverfahren, gilt nur für Privatkunden. Gasgroßhändler wie etwa Ruhrgas dürfen sich bei den Verträgen mit ihren Lieferanten weiterhin an der Preiskoppelung orientieren. Das hat einen guten Grund. Denn wegen der geringen Anzahl der Förderländer, die Gas nach Deutschland liefern, gibt es keinen Wettbewerb und damit kann sich auch kein Marktpreis entwickeln. Ohne das Einverständnis zur Preisbindung bestünde die Gefahr, dass die Gasförderer überhöhte Preise von den deutschen Großeinkäufern verlangen.

Einen Haken hat das Urteil: Es verhindert keine weiteren Preiserhöhungen. Und die drohen bei einigen Anbietern schon in wenigen Wochen. Laut dem Internetportal Check24 planen mindestens 37 Gasversorger im April und Mai Tariferhöhungen um in der Spitze bis zu 14 und durchschnittlich 5,9 Prozent. Der Hamburger Versorger E.on Hanse plant aber keine Veränderungen in den nächsten Wochen.

Das Urteil gilt inzwischen nur noch für wenige Gasanbieter. Denn viele Firmen haben schon im Vorfeld ihre Schreiben, mit denen sie Kunden über Preiserhöhungen informierten, umformuliert. "In Hamburg gibt es keine Anbieter mehr, die bei einer Preisanpassung für Privatkunden auf die Ölpreiskopplung verweisen", sagte Günter Hörmann, Chef der Hamburger Verbraucherzentrale. Laut dem Rechtsanwalt Joachim Bluhm, der mit Unterstützung der Verbraucherzentrale Hamburger Gaskläger gegen E.on Hanse vertritt, können aber Großabnehmer wie Wohnungseigentümergemeinschaften von dem BGH-Urteil profitieren, da sie im Gegensatz zu Privatkunden Verträge mit der Preisbindung an leichtes Heizöl hätten.

E.on Hanse hatte zuletzt mit der allgemeinen Situation am Wärmemarkt argumentiert. Das Landgericht Hamburg hat diese Formulierung gekippt. Jetzt muss das Oberlandesgericht entscheiden. Aribert Peters freut sich über das Urteil. "Die Versorger wollten mit dem Argument der Ölpreisbindung ein Hintertürchen öffnen. Dieses hat der BGH jetzt zugemacht."