Am Mittwoch feiert der deutsche Tabakkonzern Reemtsma sein 100jähriges Bestehen. Das Abendblatt sprach mit Zentraleuropachef Richard Gretler.

Hamburg. Im Interview mit Abendblatt.de sprach Reemtsma-Zentraleuropachef Richard Gretler über die teuren Folgen des Rauchverbots in Kneipen, neue EU-Vorschriften und den neuen Trend zum "Smirting".

Hamburger Abendblatt:

Herr Gretler, Rauchen macht süchtig.

Richard Gretler:

Ich habe nach 40 Jahren als Raucher vor einem Jahr ohne Probleme aufgehört. Das Einzige, was sich veränderte, war, dass ich mehr Sport machte, um mein Gewicht zu halten. Sie sehen, es geht.

Abendblatt:

Als Zigarettenmanager müssen Sie das sagen.

Gretler:

Schauen Sie sich doch mal Deutschland an. Hier gibt es 20 Millionen Raucher, aber mindestens ebenso viele Ex-Raucher. Die konnten alle aufhören. Es ist aber auch klar: Wir verheimlichen nicht die Risiken des Rauchens.

Abendblatt:

Früher galt Rauchen als modern, heute als Schwäche. Wie geht Ihre Branche damit um?

Gretler:

Sicherlich haben sich das Umfeld und die Motive zum Rauchen verändert. Heute sucht der eine Raucher mehr Entspannung, der andere die Anregung. Aber entscheidend für uns scheint doch zu sein, dass sich jeden Tag fünf bis sechs Millionen der insgesamt 20 Millionen Raucher bewusst für Reemtsma-Marken entscheiden.

Abendblatt:

Wie hat sich das Rauchverhalten verändert?

Gretler:

Ein Phänomen ganz genereller Art besteht darin, dass das Rauchverhalten je nach Altersgruppe sehr unterschiedlich ist. Die meisten Raucher gehören der Altersgruppe von 20 bis 35 Jahren an. Die 35- bis 50-Jährigen rauchen schon weniger und die über 50-Jährigen nochmals deutlich weniger. Das führt dazu, dass wir allein in Deutschland durch den Alterungsprozess in unserer Gesellschaft jedes Jahr ein Absatzminus von rund einer Milliarde Zigaretten haben.

Abendblatt:

Nichtraucher freuen sich, dass sie den Qualm nicht mehr ertragen müssen.

Gretler:

Das ist ja in Ordnung. Wir sind nur für einen ausgewogenen Interessenausgleich zwischen Rauchern und Nichtrauchern. Dazu gehören auch Gelegenheiten für Raucher.

Abendblatt:

Wie hat sich das Rauchverbot auf den Zigarettenabsatz ausgewirkt?

Gretler:

Eigentlich gar nicht. Umso mehr fragen wir uns, warum einige Bundesländer vom Konsens abweichen. Vor allem wenn Städte wie Hamburg nachträglich ihr Rauchverbot verschärfen, verstehe ich das nicht.

Abendblatt:

Fühlen Sie sich von der Hamburger Politik verschaukelt?

Gretler:

Nein. Es ist nur: Viele Restaurantbesitzer haben in Raucherräume investiert und dieses Geld im Nachhinein in den Sand gesetzt. Das war nicht fair.

Abendblatt:

Warum sollen unter diesen Bedingungen die Raucher bei der Stange bleiben?

Gretler:

Ein Beispiel: Haben Sie schon einmal etwas von "Smirting" gehört. Das ist ein neuer Begriff für Rauchen, also Smoking und Flirten. Es gibt genug Leute, die es nicht schlecht finden, vor einem Restaurant zu rauchen, um mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen.

Abendblatt:

Das klingt verklärend. Rauchen wird immer teurer. Wie reagieren die Kunden?

Gretler:

Was ich damit sagen will: Geraucht wird immer. Tabak gibt es in Europa seit über 500 Jahren. Raucher passen sich an. Zurzeit kaufen sie mehr preisgünstige Markenzigaretten wie etwa JPS für 4,25 Euro. Mit einem Marktanteil von neun Prozent ist JPS bereits die zweitstärkste Marke in Deutschland. Außerdem drehen mehr ihre Zigaretten selbst oder weichen auf Stopfzigaretten aus. Unser Absatz von losem Tabak, aus dem Zigaretten gemacht werden, ist 2009 überproportional auf über sieben Milliarden Stück gestiegen.

Abendblatt:

Gibt es dieses Jahr eine weitere Preiserhöhung?

Gretler:

Wir spekulieren grundsätzlich nicht öffentlich über Preise. Aber: Wir haben erst im vergangenen Sommer 2009 die Preise erhöht. Danach ist der Anteil geschmuggelter Zigaretten im letzten Jahresquartal prompt um zwei auf 22 Prozent gestiegen. Insgesamt gehen dem Fiskus durch Zigaretten aus dem Ausland rund vier Milliarden Euro an Steuern verloren.

Abendblatt:

Die EU plant weitere Einschränkungen.

Gretler:

Die europäische Tabakproduktrichtlinie steht in der Überprüfung. Da gibt es Forderungen nach einer nur noch weißen Zigarettenpackung, auf der nichts als der Markenname in Druckbuchstaben abgedruckt wird. Im Gegenzug sollen auch noch bunte Schockbilder auf die Packung. Und das alles ohne messbares Ziel und ohne Beweis der Wirksamkeit. Mit Verlaub: Das ist Regulierungsquatsch.

Abendblatt:

Klar, dass Sie alles kritisieren, was der Branche schaden könnte.

Gretler:

Darum geht es nicht. Warnhinweise halten wir grundsätzlich für richtig, da sie den Raucher auf die Risiken hinweisen. Wir sind aber kein Land der Analphabeten, das den Einsatz von Schockbildern rechtfertigt.

Abendblatt:

Sie haben also doch Angst, dass Raucher wegen abschreckender Bilder aufhören könnten?

Gretler:

Nein, in Belgien und Großbritannien, wo es solche Packungen bereits gibt, wird trotzdem weiter geraucht. Mir geht es um den Eingriff in die Marke und um Diskriminierung von Rauchern.

Abendblatt:

Zum Thema Schmuggel: Was unternimmt die Branche dagegen?

Gretler:

Wir haben Kontrolleure im Einsatz, die mit den Behörden zusammenarbeiten. Unser größtes Problem sind Fälschungen. Gemeinsam mit dem Markenverband fordern wir härtere Strafen, also Haft statt nur Geldstrafen. Denn angesichts von Milliardenprofiten kann man keinen Kriminellen mit einem Strafbefehl über 30 000 Euro beeindrucken.

Abendblatt:

Welche Marke wird am meisten gefälscht?

Gretler:

Das geht durch alle Preisklassen. Und die Fälschungen finden sie nicht nur in Osteuropa, sondern auch hier vor Ort - zum Beispiel im Hafen, auf dem Kiez oder auf den Märkten. Hier könnten die Ordnungsämter oder die Landespolizei bei Standardkontrollen auf gefälschte T-Shirts oder Zigaretten achten. Jeder zusätzliche Kontrolleur macht sich bezahlt, weil er Steuerbetrug verhindert. Es geht um Milliarden!