Experte kritisiert Industriepolitik der Regierung. Bund prüft, geplante Schiffsaufträge vorzuziehen.

Hamburg. Nach dem Maritimen Gipfel in Berlin hat der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Professor Rudolf Hickel die Bundesregierung scharf kritisiert. Die Absage des Bundes für spezielle Hilfen für die maritime Industrie beurteilt er als "Fehlentscheidung". "Wenn man sieht, dass Banken gerettet worden sind, ist es zumutbar, dass die Werften in der Krise eine Überbrückungshilfe erhalten", sagte Hickel der Deutschen Presse-Agentur. Auch für Reeder seien zielgerichtete Liquiditätshilfen erforderlich, "damit sie nicht pleite gehen". Der Bund vernachlässige eine "massive Industriepolitik".

Im Gegensatz zu Hickel bezeichnete der Verband Deutscher Reeder (VDR) das Treffen als "guten Tag" für die Wirtschaft. "Es wird jetzt geprüft, ob die Höhe der Betriebsmittelkredite für die fahrende Flotte erhöht werden kann, wenn die jeweiligen Reeder Sicherheiten vorlegen können", sagte der VDR-Hauptgeschäftsführer Ralf Nagel. Nagel sieht bis zu 1000 Schiffe in Gefahr. Bei den von den Reedern bestellten Frachtern soll nun über eine Umfrage geklärt werden, wie viel Kapitel nötig ist, um die Aufträge zu sichern. "Die Politik will in China und Korea zudem dafür werben, dass Schiffbauaufträge verschoben werden können."

Der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) sieht wiederum trotz der Möglichkeit auf Bürgschaften und Kredite des Deutschlandsfonds, von Bund, der KfW-Bank und Ländern zurückgreifen zu können, weitere Probleme. "Der derzeitige Auftragsbestand von rund 100 Schiffen ist zwar gesichert. Für uns geht es jetzt aber um die Finanzierung von künftigen Neubauten", sagte Werner Lundt, der VSM-Hauptgeschäftsführer. Viele Banken schreckten aber selbst dann vor der Vergabe von Darlehen zurück, wenn die KfW über ihre Programme 90 Prozent des Kreditrisikos übernehme. Hamburgs Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU), der den Maritimen Gipfel mit den Küstenländern initiiert hatte, ist unterdessen sicher: "Zwei bis drei Jahre müssen überbrückt werden, dann wird der Boom wieder einsetzen." In der Folge des Gipfels müssten jetzt die Förderungen von Bund und Ländern besser aufeinander abgestimmt und die Vergabe der Mittel beschleunigt werden.

Der Zentralverband der Deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) setzt unterdessen auf den Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen in der EU, um die deutschen Häfen zu stützen. "Unsere Forderung, gesetzliche Spielräume zu nutzen, hat der Koordinator aufgenommen", sagt ZDS-Hauptgeschäftsführer Klaus Heitmann. So seien niedrigere Stromsteuern für die Hafenbetriebe wichtig.

Immerhin koste eine Megawattstunde Industriestrom mit 20,50 Euro in Deutschland vier Mal so viel wie in Belgien. "Schon in der nächsten Woche", so Heitmann, "wird im Finanzministerium über dieses Thema verhandelt."

Obwohl die maritime Wirtschaft auf keine zusätzlichen Hilfsgelder des Bundes hoffen darf, dürften einige Werften voraussichtlich schon bald neue Aufträge erhalten. Bund und Länder prüfen, ob sich staatliche Schiffbauaufträge für Marine- oder Lotsenschiffe vorziehen ließen. Zudem komme auch die Lieferung deutscher Schiffe als Entwicklungshilfe in Betracht, sagte der Maritime Koordinator der Bundesregierung, Hans-Joachim Otto (FDP). Am Vortag hatten 50 Vertreter der maritimen Industrie mit Vertretern von Bund und Ländern über die Nutzung von Hilfen aus den vorhandenen Förderprogrammen gesprochen.