Bundesweit mussten 12 000 Betriebe Insolvenz anmelden. Der Verkauf neuer Lkw hat sich halbiert.
Hamburg. Im Büro von Barbara Rauch hängt ein Poster mit zwei Spediteuren, die je eine Schlinge um den Hals tragen. "Wie viel Prozente willst du noch geben?", fragt einer den anderen. Das Poster steht für Dumpingpreise. Das Problem der Preisdrückerei belastet die Branche schon länger, sagt die Pressesprecherin des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes, zu dem auch der Verein Hamburger Spediteure gehört.
Nur wer mit dem Tarif heruntergeht, bekommt Aufträge. Damit konnten die Unternehmen zwar einigermaßen umgehen. Jetzt aber, nach mehr als einem Jahr Wirtschaftskrise, liegt die Branche am Boden, weil immer weniger Güter auf den Straßen transportiert werden.
Allein im vergangenen Jahr wurden von rund 440 000 mautpflichtigen Lkw in Deutschland rund 80 000 stillgelegt, so Martin Bulheller, Sprecher vom Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung. In der Folge der Krise gingen zudem bundesweit rund 1200 Transportbetriebe mit 12 000 Mitarbeitern in die Insolvenz.
Hamburg ist von dem Niedergang der Branche besonders hart betroffen. "Die Speditionen der Stadt sind stark vom Hafen abhängig. 30 Prozent Rückgang beim Containerumschlag und dem Stückgutverkehr bedeuten gleich ein Drittel weniger Transportvolumen", sagt Frank Wylezol, Geschäftsführer vom Hamburger Verband Straßenverkehr und Güterlogistik, dem Abendblatt. Deshalb wurden in der Stadt schon 2000 Laster ganz abgemeldet - oder sie parken ohne Transportaufträge auf Speditionsgeländen.
Nicht nur das fahrende Gewerbe spürt die Wirtschaftsflaute, sondern auch die Hersteller der tonnenschweren Transporter. "Europaweit brach der Lkw-Absatz 2009 um 50 Prozent ein", sagte in Hamburg Andreas Renschler, bei Daimler als Vorstand für das Lkw-Geschäft zuständig. Daimler ist Weltmarktführer und konnte seinen Marktanteil im vergangenen Jahr in Deutschland um zwei auf 41,6 Prozent ausbauen. Zudem hat das Unternehmen seine Arbeitszeiten so stark flexibilisiert, dass Produktionsdellen ausgeglichen werden können.
Ende dieses Jahres will Renschler nach einem Milliardenverlust 2009 in seiner Sparte einen Gewinn vor Zinsen und Steuern in Höhe von 200 Millionen Euro erwirtschaften. "In der Truckindustrie lichtet sich nach dem Krisenjahr 2009 der Nebel", gibt er sich optimistisch, während Konkurrent MAN die Erwartungen dämpft.
Frank Lutz, Finanzchef von MAN, rief am Wochenende indirekt sogar nach Staatshilfen. "Abhängig von der Lage müssen wir im Sommer überlegen, ob wir die Kurzarbeit über Anfang 2011 verlängern wollen" sagte er dem "Handelsblatt". Bislang haben sich fast nur Gewerkschaften für die Ausweitung der vom Bund subventionierten Kurzarbeiterregelung von derzeit 18 auf 24 Monate ausgesprochen.
Statt Staatshilfen zu erhalten, werden die Spediteure aber sogar von der Politik zusätzlich belastet. Mitten in der Krisenzeit stieg die Lkw-Maut Anfang 2009 im Schnitt um 50, in einigen Bereichen sogar um 90 Prozent. Besonders für Lkw, die bis 2006 gebaut wurden und den Umweltbestimmungen der Euronorm 3 unterliegen, wurde mehr verlangt. Inzwischen gilt die Euronorm 5 für Fahrzeuge, deren Schadstoffausstoß wesentlich geringer ist.
"Wegen der gestiegenen Kosten für die Lkw-Maut werden die Fahrzeuge mit Euronorm 3 kaum noch eingesetzt. Gleichzeitig können die Spediteure diese Laster auch nicht verkaufen. Denn die Abnehmermärkte in Osteuropa sind ebenfalls wegen der Krise eingebrochen", sagt Verbandssprecherin Rauch.
Hinzu käme, dass viele Speditionen - unter anderem wegen des Preiskampfes und infolge der hohen Dieselpreise im Jahr 2008 - nur noch eine geringe Kapitaldecke hätten. "Da ist es schwierig, für die Anschaffung von neuen Lkw Kredite zu bekommen." Die Luft in der Branche wird dünner.