Hamburg. Kunden offener Immobilienfonds droht neuer Ärger: Nachdem sechs Fonds schon geschlossen und damit Anlegergelder in Höhe von neun Milliarden Euro vorübergehend blockiert sind, müssen sich künftig alle Kunden auf Einschränkungen einstellen. So sollen Millionen von Anlegern verpflichtet werden, ihre Anteile mindestens zwei Jahre zu halten, plant Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in einem Gesetzentwurf. Außerdem sollen die Fondsgesellschaften eine Kündigungsfrist von sechs bis 24 Monaten einführen. In der ungünstigsten Variante kämen Anleger damit erst nach vier Jahren wieder an ihr Geld. Ein bisher einmaliger Vorgang in der Fondsbranche, die damit wirbt, dass Sparer jederzeit über ihr Geld verfügen können.

Der Vorzug offener Immobilienfonds ist bisher, dass sich Anleger mit kleinen Beträgen an gewerblichen Immobilien wie Bürogebäude und Einkaufszentren beteiligen können und dennoch börsentäglich an ihr Geld kommen. Für eine Immobilienanlage ist das ungewöhnlich, denn Bürogebäude lassen sich nicht so schnell veräußern wie Aktien, um rückgabewillige Anleger auszuzahlen. Dieser Widerspruch wurde offenen Immobilienfonds vor allem in der Finanzkrise zum Verhängnis, als viele Anleger gleichzeitig an ihr Geld wollten. Etliche Fonds mussten die Rücknahme von Fondsanteilen aussetzen. Zeitweise war mehr als ein Drittel der insgesamt in offenen Immobilienfonds investierten Summe von 88 Milliarden Euro eingefroren. Der Fonds Degi Europa der Aberdeen Immobilien Kapitalanlagegesellschaft wird im Oktober bereits durchgehend zwei Jahre geschlossen sein.

Dennoch sind offene Immobilienfonds noch sehr beliebt. Allein im Januar investierten Anleger 1,7 Milliarden Euro in diese Anlageform. Haltebeschränkungen und Kündigungsfristen könnten das Geschäft verderben. "Es ist nicht auszuschließen, dass Anleger jetzt aus Angst vor Beschränkungen ihr Kapital abziehen und damit die Lage mancher Fonds verschärfen", sagt Gabriele Schmitz von der Verbraucherzentrale Hamburg.

Die Branche will die Pläne des Bundesfinanzministers nicht so einfach hinnehmen. "Zwei Jahre Haltedauer sind aus unserer Sicht deutlich zu lang", sagt ein Sprecher des Bundesverbandes Investment und Asset Management (BVI). Eine Kündigungsfrist von einem Jahr hatte die Branche selbst vorgeschlagen, allerdings nur für institutionelle Investoren wie Versicherungen, Dachfonds oder Pensionskassen. "Wir wollen die Interessen der Privatanleger schützen. Dazu gehört auch, dass Privatanleger, die kurzfristig Geld benötigen, nicht unnötig eingeschränkt werden", sagt der BVI-Sprecher dem Abendblatt. "Das ist etwas grob geschnitzt, was da aus Berlin kommt", ergänzt ein Sprecher von Aberdeen "und dürfte dem Produkt nicht gut tun". Auch die Fondsgesellschaft Union Investment will keine Beschränkungen für Privatanleger. "Der Ausgabeaufschlag von fünf Prozent sorgt dafür, dass Privatanleger offene Immobilienfonds nicht als kurzfristigen Geldparkplatz missbrauchen", sagt Sprecher Fabian Hellbusch.

Nach Ansicht des BVI können neue Regeln und damit auch Kündigungsfristen nur für Neuanleger nach Inkrafttreten des Gesetzes gelten. Das könnte voraussichtlich im Sommer 2011 sein. Das Finanzministerium geht dagegen davon aus, dass mit Inkrafttreten des Gesetzes die Kündigungsfrist sofort für alle, also auch Bestandskunden, gilt. Wie lang die Kündigungsfristen sind, müssen die Fondsgesellschaften selbst festlegen. "Bei der zweijährigen Haltedauer unterstellen wir, dass sie von allen Altkunden zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits erfüllt wurde", sagt eine Sprecherin des Finanzministeriums dem Abendblatt. Bis die neuen Regeln greifen, werden die offenen Immobilienfonds ohnehin noch manche Überraschung bieten. Im Branchenschnitt lag die Rendite zuletzt nur noch bei 1,8 Prozent.