Wirtschaftskommissar Rehn steht hinter Schäuble. Bis Ende Juni soll konkretes Konzept vorgelegt werden. Insolvenz eines Staates möglich.

Hamburg. Die Idee eines Europäischen Währungsfonds (EWF) als Instrument gegen Schuldenkrisen wie im Fall Griechenland hat offenbar gute Chancen auf eine Verwirklichung. Bereits heute wolle Olli Rehn, Wirtschaftskommissar der Europäischen Union (EU), seinen Kollegen in der Kommission über die Pläne für eine solche Institution berichten, wie der Sprecher des Finnen in Brüssel sagte. Bis spätestens Ende Juni will Rehn einen Vorschlag auf den Tisch legen.

Es heißt, erfolgreiche Ideen hätten viele Väter, und das ist auch hier so: Nachdem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Wochenende in der "Welt am Sonntag" die Gründung eines EWF forderte, zeigte sich Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) gestern zufrieden, dass Schäuble seinen Vorschlag aufgegriffen habe. SPD-Chef Sigmar Gabriel wiederum sagte dem "Tagesspiegel", er sei froh, dass sich der Finanzminister "diese Idee der Sozialdemokraten" zu eigen gemacht habe. Allerdings hatten der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, und der Direktor der Brüsseler "Denkfabrik" Centre for European Policy Studies (CEPS), Daniel Gros, in einer gemeinsamen Untersuchung schon Anfang Februar ein europäisches Gegenstück zum Internationalen Währungsfonds (IWF) angeregt.

Die Möglichkeiten einer solchen europäischen Institution würden jedoch weit über die des IWF hinausgehen, sagte Mayer gestern dem Abendblatt: "Eine der Funktionen des EWF wäre, in geordneter Weise eine Zahlungsunfähigkeit eines Staats abzuwickeln." Heute dagegen sei es faktisch unmöglich, ein Euro-Land bankrott gehen zu lassen.

Auch Gustav Horn, Leiter des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, hält diese Funktion für wichtig: "Unternehmen können verschwinden, Staaten nicht - das dürfen wir nicht vergessen", sagte Horn dem Abendblatt. Er hält einen EWF für "sehr sinnvoll". Eine der Hauptaufgaben der Institution müsse aber sein, Krisen wie aktuell in Griechenland schon im Vorfeld zu begegnen. "Ein solcher Fonds muss bei Fehlentwicklungen rechtzeitig den Finger heben."

Das sieht Thomas Mayer genauso: "Der EWF müsste eine umfassende gesamtwirtschaftliche Überwachung gewährleisten. Die riesigen Leistungsbilanzdefizite Griechenlands zum Beispiel erschienen in den vergangenen Jahren gar nicht auf dem Radarschirm der EU, man hielt sie für bedeutungslos."

Allerdings regte sich gestern auch Kritik an der Idee eines EWF. Es bestehe die Gefahr, dass er falsche Anreize für Problemländer setze, sagte der FDP-Finanzpolitiker Frank Schäffler. Denn gebe es erst ein solches Hilfenetz, könne einem Land kaum mehr erklärt werden, warum es selbst mit einem harten Sparkurs seine Lage bessern müsse.

Dieses Argument lässt Horn jedoch nicht gelten: "Keine Regierung würde es als angenehm empfinden, wenn der EWF harte Auflagen erlässt und zum Beispiel die Staatsausgaben nicht mehr steigen dürfen."

Ein möglicher Streitpunkt bei der Gründung eines europäischen Hilfsfonds sei die Finanzierung, so Horn. Er hält es für angemessen, dass Länder mit Zahlungsbilanzüberschüssen - wie Deutschland - überproportional dafür herangezogen werden, "denn auch solche Überschüsse verursachen Ungleichgewichte".

Nach Schätzungen des früheren IWF-Chefökonomen Simon Johnson müsste ein künftiger EWF mit 250 Milliarden Euro an Kapital und weiteren 500 Milliarden Euro an Kreditlinien ausgestattet werden, wie Johnson in seinem Blog "The Baseline Scenario" schrieb. Zwar seien US-Offizielle verärgert über die Idee, sie würden lieber an der unangefochtenen Stellung des IWF festhalten. Doch letztlich sei ein EWF "eine gute Sache für die Welt", so Johnson.

Skeptisch zeigte sich allerdings Dennis Snower, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. Er hatte kürzlich eine unabhängige Schuldenkommission, bestehend aus zehn bis 15 Experten, für Länder wie Griechenland gefordert. "Eine solche Kommission kann in Rezessionszeiten durchaus eine hohe Neuverschuldung erlauben", sagte Snower. Sie würde in "guten Jahren" aber dafür sorgen, dass der Schuldenberg abgetragen wird. "Ich sehe nicht, wie eine solche sinnvolle Flexibilität in der Finanzpolitik mit den aktuellen Vorschlägen für einen EWF gewährleistet wird", so Snower.