HWWI-Chef Thomas Straubhaar über die Griechenland-Krise

Das Thema der Woche in Europa ist ohne Zweifel der Fall des Euro. Offensichtlich erhalten die größten Pessimisten recht. Die Euro-Zone steht am Abgrund. Die Diskussion um die öffentliche Zahlungsunfähigkeit Griechenlands beginnt zu eskalieren. Es kommt zu absurden Vorwürfen und abenteuerlichen Forderungen. Griechische Medien rufen zu einem Boykott deutscher Waren auf. Abgeordnete der kommunistischen und der ultra-konservativen Opposition fordern deutsche Reparationszahlungen für die griechischen Opfer des Zweiten Weltkriegs. Ein Generalstreik legt das öffentliche Leben lahm. Deutsche Intellektuelle wollen Griechenland aus der Euro-Zone werfen. Andere rufen nach einem Plan B: einem Austritt Deutschlands und einer Rückkehr zur D-Mark.

Selbst die härtesten Kritiker wissen aber, dass es zur raschen Hilfe für Griechenland keine Alternative gibt. Das ist besonders bitter für jene Euro-Länder, die zumindest versucht haben, ihre Staatshaushalte im Gleichgewicht zu halten. Schlimmer noch: Hilfe für Griechenland ist ein Freischein für ein Leben über den gebotenen Verhältnissen und für ein nationalegoistisches Finanzgebaren in anderen Euro-Ländern. Das wollte man mit den Maastrichter Verträgen ausschließen und erhält es nun dennoch. Aber all dies ändert dennoch nichts daran, dass keine Alternative als rasche Hilfe geringere Folgekosten für alle verursacht.

Bleibt nur noch die Frage, in welcher Form diese Hilfe so gesichtswahrend wie möglich zu organisieren ist, damit gesamtwirtschaftlich der geringste Schaden verursacht wird. Man kann einen Europäischen Währungsfonds (EWF) neu ins Leben rufen, der dann Anleihen, europäische Sonderziehungsrechte und andere Kredite an zahlungsunfähige Euro-Länder fließen lässt und dafür eine strikte Haushaltsdisziplin einfordert. Aber: Woher soll die Finanzierung kommen, welches Euro-Land muss wie viel beitragen und wie lange wird es dauern, bis der EWF handlungsfähig wird? Deshalb haben sich einige Ökonomen dafür starkgemacht, den bereits bestehenden Internationalen Währungsfonds (IWF) zu Hilfe zu rufen. Damit würde man Zeit gewinnen und Europa könnte es sich ersparen, die notwendigen Finanzmittel selber aufbringen zu müssen. Dieser Vorschlag wird in Washington nur mit ungläubigem Staunen und ablehnendem Kopfschütteln zur Kenntnis genommen. Er wird als doppeltes Scheitern Europas abgetan: zuerst verursacht Europa ein Problem. Dann erweist es sich als unfähig, die Folgen selber zu bewältigen. Und deshalb muss am Ende Amerika für Europa die Kohlen aus dem Feuer holen. Wieso sollten die USA das ein weiteres Mal tun wollen?

Thomas Straubhaar befindet sich für sechs Monate an der Transatlantic Academy in Washington DC. Für das Abendblatt schreibt er regelmäßig aus den USA einen Blog zu aktuellen Themen. Die Texte finden Sie www.abendblatt.de/wirtschaft