Chinesische Firmen profitieren von Berliner Subventionen. Deutsche Hersteller fürchten um Arbeitsplätze.

Hamburg. Die Bundesregierung hat gestern beschlossen, die Vergütungen für die Einspeisung von Strom aus Fotovoltaikanlagen in das Netz in einem außerordentlichen Schritt weiter zu kürzen. Die Einspeisevergütung für Dachanlagen wird zum 1. Juli um weitere 15 Prozent zurückgefahren, für Anlagen auf Freiflächen um 16 Prozent. Für neue Solaranlagen auf Äckern soll es künftig keine Förderung mehr geben. Der Eigenverbrauch von Strom aus Fotovoltaikdachanlagen wird hingegen vom Sommer an höher subventioniert als bislang.

Mit der Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG), die noch vom Bundestag beschlossen werden muss, heizt die Regierung eine bereits stark kontroverse Diskussion weiter an.

Grundsätzlich stehen sich zwei Lager gegenüber, die aber mit einer Vielzahl von Argumenten arbeiten. Die Befürworter einer Kürzung streiten dafür, die Stromverbraucher von der Umlage stärker zu entlasten. Die Gegner des Regierungsplans fürchten, dass die deutsche Solarindustrie mit ihren mittlerweile bereits rund 60 000 Arbeitsplätzen gegen die wachsende Konkurrenz vor allem aus China an Boden verliert. So finden sich bei den Kürzungsgegnern parteiübergreifend unter anderem der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer wie auch Matthias Machnig (SPD), der Wirtschaftsminister des von einer CDU-SPD-Koalition regierten Thüringen. Beide Bundesländer profitieren durch Fotovoltaikhersteller wie auch von der Installation der Solaranlagen besonders stark. Seehofer sagte gestern, man werde "alle Hebel in Bewegung setzen", um noch Änderungen an der Novelle zu erreichen. Die geplanten Senkungen seien zu hoch. Machnig warb für einen "Kompromissvorschlag", die Subventionen nur um neun Prozent zu kürzen.

Ein wesentliches Argument für die geplanten Kürzungen ist die stark wachsende Marktmacht Chinas. Branchenbeobachter gehen davon aus, dass im vergangenen Jahr bereits zwei Drittel aller in Deutschland verbauten Solarmodule aus dem Ausland kamen, der größte Teil davon aus China: "Die chinesischen Hersteller sind derzeit voll ausgelastet, soweit wir hören. Sie werden ihren Marktanteil hierzulande wahrscheinlich weiter steigern", sagt Bernd Schüßler, Sprecher des Fachmagazins "Photon". Die deutschen Hersteller dürften sich nicht auf hohe Einspeisevergütungen verlassen. Sie hätten nur dann langfristig ein Chance, "wenn sie am innovativsten sind und Topqualität bieten".

Gerhard Stryi-Hipp, Leiter der Abteilung Energiepolitik am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg, widerspricht dem: "Die geplanten Kürzungen werden die deutschen Hersteller massiv unter Druck setzen und damit letztlich den chinesischen Herstellern helfen. Die Chinesen nehmen im Zweifel auch Verluste in Kauf, um Marktanteile zu gewinnen."

Im zurückliegenden Jahrzehnt wurden nach Schätzung des ISE bis zu 50 Milliarden Euro an Einspeisevergütungen ausgelöst, allein rund zehn Milliarden Euro für die Anlagen, die 2009 installiert worden sind. Grundlage für die Summen ist Vergütung des Stroms für jeweils 20 Jahre. Die Befürworter einer stärkeren Absenkung argumentieren, dass die deutschen Stromverbraucher indirekt die chinesische Solarindustrie subventionierten.

Mit Protektionismus will der Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer von den Grünen, dagegenhalten. Die erlaubten Exporte der chinesischen Hersteller nach Deutschland müssten sich nach dem Anteil der in China installierten Module am Weltmarkt richten: "Die Chinesen würden so gezwungen, im eigenen Land einen größeren Markt für Fotovoltaikanlagen zu schaffen, anstatt ihre Module in die Bundesrepublik auszuführen und mit deutschen Herstellern um Kunden zu konkurrieren."

Gerhard Stryi-Hipp vom ISE plädierte dafür, die Einspeisevergütungen weniger stark zu senken als geplant: "Hier wird eine neue Industrie, aber auch eine neue, moderne Stromwirtschaft aufgebaut. Das ist nicht für einen Apfel und ein Ei zu haben."