Beim Hamburger Sterillium-Hersteller brummt das Geschäft. Ärzte schwören schon lange auf die Fläschchen mit der blauen Flüssigkeit. Nun greifen immer mehr Menschen zu. Besuch bei einem Boombetrieb.

Hamburg. Die kleinen Fläschchen mit dem Desinfektionsmittel Sterillium laufen gemächlich über das Transportband. Am Ende werden sie verpackt und in alle Welt verschickt. Plötzlich schert eines aus. Die Reise zu den Kunden endet. Das Etikett ist nicht perfekt. Festgestellt hat dies eine im Transportband installierte Kamera. "Wir unterliegen mit unseren Produkten der Arzneimittelverordnung. Alles muss stimmen", begründet Roland Knieler, Geschäftsführer der Bode Chemie in Hamburg, die Auslese - und das routinemäßige Kontrollverfahren.

In Stellingen, mitten in einem Wohnviertel, umgeben von Villen und kleinen Mehrfamilienhäusern, schlägt das Herz von Europas Marktführer für Mittel zur Handdesinfektion. Das Hauptprodukt Sterillium hat bei Klinikexperten fast schon den gleichen Bekanntheitsgrad wie Coca-Cola bei Verbrauchern. 60 Prozent Marktanteil in Deutschland und auch führend in Europa. Das Rezept ist übrigens streng geheim. Den Unterschied zu Konkurrenzprodukten machen die beigemischten Zusatzstoffe aus, die etwa bewirken sollen, dass die Haut auch nach mehrfachem Gebrauch keinen Schaden nimmt. Schließlich desinfiziert ein Klinikarzt seine Hände im Schnitt 60- bis 70-mal am Tag.

Das Geschäft brummt - nicht nur dank der Schweinegrippe, die in den vergangenen Monaten für einen Nachfrageboom gesorgt hat. Das Unternehmen fuhr Sonderschichten, um alle Bestellungen abarbeiten zu können. Der Umsatz der 1929 in Hamburg von dem Unternehmer Kurt Bode gegründeten Firma kletterte 2009 um rund 30 auf 100 Millionen Euro. Zu den schon vorhandenen 280 Mitarbeitern wurden 30 weitere eingestellt - so viel wie noch niemals zuvor in einem Jahr.

"Auch 2010 werden wir in ähnlicher Größenordnung Arbeitsplätze schaffen", sagt Knieler, der bereits seit 13 Jahren bei Bode ist und früher Forschungsleiter war. Denn nicht nur Sonderfälle wie die Schweinegrippe kurbeln den Absatz an, sondern auch neue Vertriebskanäle. Zuletzt hatte Bode zu Beiersdorf gehört. Doch der Nivea-Hersteller hat seine Tochter vor gut einem Jahr an Paul Hartmann verkauft, ein Unternehmen, das medizinische Produkte wie etwa Katheder produziert und 2009 knapp 1,4 Milliarden Euro erlöste. "Mit Paul Hartmann haben wir nun Zugang zu vielen neuen Märkten", so Knieler. Während Bode Chemie bislang den größten Teil seines Umsatzes mit professionellen Kunden wie Krankenhäusern erwirtschaftete, will das Unternehmen jetzt mit Unterstützung des Hartmann-Vertriebs näher an die Endkunden heran und stärker als bisher Apotheken beliefern oder auch Pflegeheime.

"Wir profitieren auch davon, dass das Thema Händedesinfektion in vielen Märkten eine größere Bedeutung bekommt", sagt der Chef. So hat auch das Bundesgesundheitsministerium eine Kampagne "Aktion saubere Hände" gestartet, um das Problem von Infektionen in Krankenhäusern durch eine gründlichere Handdesinfektion bei Ärzten und Pflegepersonal einzudämmen

Die Mitarbeiter seien mit der Übernahme durch Paul Hartmann zufrieden, sagt Knieler. Das Schlimmste, was hätte passieren können, wäre ein Käufer gewesen, der nur an den Marken, aber nicht an der Produktion und Forschung interessiert gewesen wäre. Der neue Eigentümer hingegen lässt Bode Chemie weiterhin als selbstständige Tochter firmieren. Anders als sonst oft bei Übernahmen üblich, hat kein Leistungsträger Bode Chemie nach dem Verkauf verlassen.

Auch Forschungsleiterin Barbara Krug ist schon seit sieben Jahren an Bord. Sie und ihre Mitarbeiter entwickeln und prüfen im nahe liegenden Labor neue Mischungen auf ihre Wirksamkeit. In riesigen Tanks im Keller des Unternehmens lagern die fertigen Produkte, die bei Bedarf automatisch nach oben zum Abfüllen gepumpt werden.

Zwar steht Bode Chemie in der Öffentlichkeit hauptsächlich für Sterillium, aber das Unternehmen hat derzeit 80 verschiedene Rezepturen im Angebot - von der Handcreme über Gels, von flüssigen Desinfektionsmitteln bis hin zu Kanistern mit Waschsubstanzen, in denen medizinische Geräte gereinigt werden. Die meisten Produkte gibt es in verschiedenen Varianten - für Allergiker, mit oder ohne Parfüm, mit viel Öl oder mit wenig.

Auch jene Stoffe, die das Unternehmen zukauft, müssen ständig überprüft werden. Pro Lieferung wird eine Charge durchleuchtet. "Der Gesetzgeber hat hohe Anforderungen an Arzneimittelproduzenten gestellt", sagt Werksleiter Klaus Michelsen. Sämtliche Arbeitsschritte werden dokumentiert, sodass auch noch nach Jahren festgestellt werden kann, wer oder was für einen möglichen Fehler verantwortlich ist. Sterillium ist zum Beispiel fünf Jahre haltbar. "Wenn kurz vor Ablauf eine Flasche trüb wird, hätten wir einen Fehler gemacht", so der Produktionschef. Im vergangenen Jahr verließen 32 Millionen Fläschchen mit Desinfektionsmitteln das Unternehmen in Stellingen. Dieses Jahr sollen es noch mehr werden. Bode Chemie investiert vier bis fünf Millionen Euro in die Produktion, nach zwei Millionen im vergangenen Jahr. Unter anderem kommt eine weitere Abfüllanlage hinzu. "Dann arbeiten wir rund um die Uhr, nur am Sonntag ist von morgens bis abends Pause", sagt Michelsen. Und Knieler freut sich schon auf die zusätzliche Flexibilität. "Die Phase der Integration nach der Übernahme ist beendet", sagt er. Der Chef hofft auf weiteres Wachstum durch neue Märkte, in denen das Unternehmen tätig sein wird - und weitere neue Anwendungsfelder.