Größter deutscher Autobauer will alle Auszubildenden übernehmen. Die Produktivität soll erhöht werden.

Hannover. Volkswagen entwickelt sich mal wieder gegen den Branchentrend. Erst steigerte der Konzern im Januar seine Auslieferungen um mehr als 40 Prozent. Jetzt setzte der zweitgrößte Autobauer der Welt ein sichtbares Signal, dass er auch langfristig von deutlichem Wachstum ausgeht: Seinen rund 100 000 VW-Beschäftigten in Deutschland gibt das Unternehmen ungeachtet der Wirtschaftskrise eine fast fünfjährige Jobgarantie. Bis Ende 2014 sind die Beschäftigten damit vor betriebsbedingten Entlassungen geschützt.

Der mit der IG Metall ausgehandelte "Zukunftstarifvertrag" geht deutlich über die Beschäftigungssicherung bei anderen Automobilbauern hinaus. Konkret festgeschrieben wird der Verzicht auf Kündigung für die mehr als 95 000 Beschäftigten in den sechs westdeutschen Werken sowie bei VW Financial Services in Braunschweig, sagte der IG-Metall-Bezirksleiter Hartmut Meine. Für 7000 weitere Mitarbeiter in den drei sächsischen Werken ist ein "gleichwertiger Abschluss" Anfang März vereinbart.

VW-Verhandlungsführer Jochen Schumm machte klar, dass es trotz Jobgarantie bei dem Ziel bleibt, die Produktivität an den deutschen Standorten jährlich um zehn Prozent zu erhöhen. Dabei werde die aktive Mitarbeit der Beschäftigten erwartet: "Leistung auf der einen Seite und die Erwartung an einen sicheren Arbeitsplatz müssen Balance halten." Ausgebaut werde auch eine leistungsorientierte Vergütungskomponente. Deren Zahlung hängt von der regelmäßigen Teilnahme an Workshops ab, bei denen die Produktivitätssteigerung im Mittelpunkt steht. "Mit der Stärkung der Leistungsorientierung haben wir unser Tarifsystem substanziell weiterentwickelt", sagte VW-Personalvorstand Horst Neumann.

Die IG Metall hat den Produktivitätsfortschritten zugestimmt. Gleichzeitig - mit Blick auf die Arbeitsplätze - war es ihr aber wichtig, dass der Konzern Felder besetzt, die zukunftsweisend für die Branche sind. Dazu zählen vor allem alternative Antriebe. Dafür legt der Konzern einen zweiten Innovationsfonds mit 20 Millionen Euro jährlich auf. Über konkrete Projekte werde in Ansprache zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat entschieden: "Das ist keine Selbstverständlichkeit, das steht so in keinem Betriebsverfassungsgesetz", sagte der Bezirksleiter Meine. Als gelungenes Beispiel für solche neuen Geschäftsfelder nannte Meine die Produktion von Blockheizkraftwerken am Standort Salzgitter.

Bereits 2009 hatten sich Konzern und IG Metall auf eine Beschäftigungssicherung bis Ende 2011 verständigt, die jetzt verlängert wird.

Der Gewerkschafter Meine empfahl angesichts der laufenden Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie den Arbeitgebern, sich am Beispiel von Volkswagen zu orientieren. Bestandteil des Tarifvertrages ist auch die Übernahme aller 6400 Auszubildenden bis Ende 2014 sowie die Neueinstellung von jährlich knapp 1300 Auszubildenden: "Junge Menschen haben eine hervorragende Perspektive beim größten europäischen Automobilhersteller". VW-Verhandlungsführer Schumm wollte unterdessen noch keine konkrete Prognose über die Auslastung der deutschen Werke im zweiten Halbjahr machen: "Gegenwärtig fahren wir Sonderschichten." Kurzarbeit im zweiten Quartal schloss er aber aus. Die aktuelle große Nachfrage sei nicht in erster Linie eine Spätfolge der Abwrackprämie sondern Resultat der Modellpalette.

Das demonstrative Selbstvertrauen bei der Marke VW basiert unter anderem auf dem gelungenen Jahresauftakt in China, wo die Kernmarkte beim Absatz sogar um über 46 Prozent zulegte. Erklärtes Ziel des Konzerns ist es, bis 2018 den Weltmarktführer Toyota zu überholen.