Der Mitinhaber der Thalia-Buchkette, Jürgen Könnecke, sagt: “Die 5000 Arbeitsplätze der Douglas-Tochter sind sicher.“

Hamburg. Die alte Weisheit "Handel ist Wandel" ist für Jürgen Könnecke (74) nicht nur ein Spruch. "Mich faszinieren Veränderungen", sagt der Miteigentümer der Thalia-Buchkette. Könnecke hatte in seinem Leben bis jetzt keinen Mangel an Wandel - immerhin hat er den Aufstieg einer kleinen Theaterbuchhandlung in Hamburg zur größten deutschen Buchhandelskette miterlebt und seit den 60er-Jahren maßgeblich bestimmt. "In den 50er-Jahren reichten wir den Kunden die Bücher noch über den Verkaufstresen", erinnert sich Könnecke.

Die Kunden waren vor der Demokratisierung des Buchhandels, wie sich der Brancheninsider erinnert, meistens Bildungsbürger der oberen Schichten, andere Käufer hatten häufig noch mit Schwellenängsten zu kämpfen. Leseecken und Regale zur Selbstbedienung waren in weiter Ferne. Erst recht war unvorstellbar, dass Buchhändler heute einen Internetkonzern wie Amazon als größten Konkurrenten fürchten, sagt er.



Der Hamburger - er ist Vater von zwei Töchtern, die beide gelernte Buchhändlerinnen und auch Thalia-Mitinhaberinnen sind - ist als Vize-Chef des Bords der Thalia-Gruppe zwar nicht mehr operativ tätig, bestimmt aber in diesem Gremium noch alle wichtigen Weichenstellungen mit. Die von seinem Vater Erich Könnecke 1931 vor dem Konkurs gerettete Buchhandlung wird in diesen Tagen nicht nur 90 Jahre alt - sie legt ein Wachstumstempo vor, das in der Krise ungewöhnlich ist.


"2010 werden wir mindestens so viele Filialen eröffnen wie im laufenden Jahr", sagt Könnecke. 2009 hat die Gruppe immerhin 14 Geschäfte dazubekommen. 300 Standorte im deutschsprachigen Raum, 13 davon in Hamburg, tragen heute das Logo, das schon der kleine Eckladen im Gebäude des Thalia-Theaters führte. Mit einem Nettoumsatz von 819 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2008/2009, einem Plus von 6,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr, rangiert die Gesellschaft heute vor der vor einigen Jahren aus Hugendubel und Weltbild fusionierten DBH-Gruppe an der Spitze des deutschen Buchhandels. Auch mit dem Gewinn ist Könnecke zufrieden, der mit den Angaben allerdings nicht der Veröffentlichung der Zahlen durch die Douglas Holding im Januar vorgreifen will, die seit 2001 insgesamt 75 Prozent an Thalia besitzt. Die Familie Könnecke hält nach wie vor ein Viertel der Anteile. Nur so viel: Die 5000 Stellen bei Thalia seien sicher. "Wir bauen auf keinen Fall ab", versichert der in Volksdorf lebende Unternehmer.


Dabei schreitet Thalia nicht nur beim Wachstum voran, sondern auch auf dem Weg zur Buchhandlung der Zukunft. Das heute öffnende neue Thalia-Geschäft in Weiterstadt bei Darmstadt soll die Rolle einer Pilotfiliale einnehmen. Sie bietet erstmals auch Computer- und Gesellschaftsspiele an. An einem Terminal können sich die Kunden zudem 200 internationale Zeitungen ausdrucken und an 18 Bildschirmen Produktinformationen finden. Sie werden dabei auf die Internetseite Thalia.de geleitet, die jährliche Zuwachsraten von 80 Prozent bei den Bestellungen und einen Anteil beim Absatz von knapp zehn Prozent erreicht. "Besser die Leute bestellen bei uns als bei Amazon", sagt Könnecke, der den Umsatz des verschwiegenen Internetanbieters in Deutschland mit den Thalia-Erlösen auf einer Höhe sieht.


Aber nicht nur die Internethändler, die rund um die Uhr für Buchfans da sind, sondern auch Google und andere Anbieter von Büchern, die kostenlos aus dem Netz heruntergeladen werden können, sorgen für Unruhe in der Branche. In Zukunft dürften nur die Buchhandlungen überleben, die sich nicht gegen die Entwicklung stemmen, die im elektronischen Publizieren liegt, sagt Könnecke. Auch bei Thalia wurden seit März die E-Books von Sony verkauft, die das Lesen von digital heruntergeladenen Buchinhalten ermöglichen. Amazon bringt zudem am 19. Oktober sein digitales Lesegerät "Kindle" auf den deutschen Markt. Verleger rechnen mit wachsender Piraterie.


Allerdings dürfte das Internet den klassischen Buchhandel nicht grundsätzlich in seiner Existenz bedrohen: "Als in den 1920er-Jahren das Radio und der Film populär wurden, sah man schon den Niedergang der Lesekultur kommen. Später kam das Fernsehen, dann die CD-ROM, und auch die drohten, das Lesen ins Abseits zu drängen", sagte kürzlich Michael Menard vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels.


Selbst bei der neuen Web-Generation, bei Jugendlichen, die mit dem Internet aufwachsen, gehört das Lesen noch zu den liebsten Freizeitbeschäftigungen. "Das Jugendbuch liegt nicht erst seit Harry Potter im Trend", sagt Könnecke. Diese neuen Kunden dürften darüber entscheiden, wie Thalia die nächsten 90 Jahre erlebt.