66-Jähriger installiert Doppelspitze und will beratend tätig sein. Neue Strategie für Kunden nötig.

München. Hasso Plattner hat wohl immer noch ein Ohr für die Stimmung in der Belegschaft bei Europas größtem Softwarekonzern SAP. Der Multimilliardär und SAP-Mitgründer war offenbar von den Ergebnissen der jüngsten Mitarbeiterbefragung alarmiert. Demnach identifizieren sich immer weniger der 47 000 Mitarbeiter noch mit ihrem Unternehmen.

Vielleicht hörte er auch auf die verärgerten Kunden, die sich, spätestens als SAP die Wartungspreise anheben wollte, vermehrt nach Alternativen umschauen. Plattner (66) sah sich jedenfalls gezwungen zu handeln.

Der SAP-Aufsichtsratschef schaltete das Kontrollgremium per Telefonkonferenz zusammen. Man habe sich "einvernehmlich" darauf verständigt, den Vertrag von Vorstandschef Léo Apotheker nicht zu verlängern, hieß es danach in einer Erklärung. "Es hat sich über die vergangenen Wochen schon angedeutet, dass es für Apotheker eng wird", sagte eine dem Aufsichtsrat nahe stehende Person.

Mit dem faktischen Rausschmiss Apothekers hat Plattner Fakten geschaffen. Apotheker (56) hatte es nie verstanden, die Mitarbeiter hinter sich zu bringen. Sein Umgangston galt als "ruppig", vielen, die man bei SAP fragte, galt er als "beratungsresistent". Plattner, der erst vor neun Monaten Apotheker als alleinigen Vorstandssprecher an die Konzernspitze brachte, senkte schließlich den Daumen. Doch nicht nur persönliche Animositäten besiegelten Apothekers Rauswurf. Er hatte auch das Pech, an die SAP-Spitze zu gelangen, als die Wirtschaftskrise wütete. So leitete er ein verhasstes Sparprogramm ein, infolgedessen 4000 Jobs gestrichen wurden.

Wie geht es nun weiter? Jim Hagemann Snabe und Bill McDermott sollen eine Doppelspitze bilden. Die hat Tradition. Auch Plattner hatte, als er bei SAP noch für das operative Geschäft zuständig war, mehrfach Co-Chefs an seiner Seite.

Die beiden Chefs - keiner von beiden hat das Charisma eines Hasso Plattner - werden beweisen müssen, dass sie keine Interimslösung sind. Der Analyst Helmuth Gümbel von Strategy Partners hat da Zweifel: "Schlechtwettererprobt, also sanierungserfahren sind Hagemann Snabe und McDermott nicht." Plattner sagte gestern, das Duo Snabe/McDermott sei "keine Kurzzeitlösung". Doch das dachte man auch bei Apotheker.

SAP stehen harte Zeiten bevor. So setzte das Unternehmen im vergangenen Jahr 10,7 Milliarden Euro um, ein Minus von neun Prozent gegenüber 2008. Früher galt zweistelliges Wachstum als normal. Auch deshalb hatte Apotheker noch kurz vor seinem Abgang einen Strategiewechsel ausgerufen, der von Plattner auch heute noch für richtig angesehen wird. SAP müsse mit "Softwarelösungen schneller als bisher auf den Markt kommen, näher am Kunden sein". Apotheker nannte ein Unternehmen wie Apple als Vorbild. Tatsächlich stellt sich die Frage, ob das Geschäftsmodell von SAP, Unternehmenssoftware zu verkaufen, zu installieren und dann zu warten, noch Zukunft hat. Die Branche steht laut Plattner vor großen Umwälzungen. Wer an bewährten Rezepten festhalte, habe keine Chance.

"Cloud", die Wolke, heißt das Zauberwort, das in der Softwarebranche heute so gut wie jeden elektrisiert. Kunden abonnieren Software und beziehen sie via Internet, also aus der "Wolke". Die benutzte Software ist nicht mehr auf dem Firmenrechner installiert, sondern kann aus dem Internet abgerufen werden. Das ist schneller und billiger - und bietet auch kleineren Anbietern die Chance, Giganten wie SAP die Stirn zu bieten. SAP will zwar demnächst die Mittelstandssoftware Business by Design auf diesem Weg anbieten. Doch die Entwicklung war teurer als geplant.

Plattner hat mit dem Führungswechsel klargemacht, dass er mehr als nur ein Wörtchen bei SAP mitreden will. "In Fragen der Technologieentwicklung und Produktentwicklung" werde er das neue Führungsduo beraten, teilte SAP vorsorglich mit.