Leipzig. Wegen eines Formfehlers des Bundesarbeitsministeriums hat das Bundesverwaltungsgericht gestern den Mindestlohn für Briefträger bei wichtigen Post-Konkurrenten gekippt. PIN Mail, die deutschen Töchter des holländischen TNT-Konzerns sowie die Mitglieder des Bundesverbands der Kurier-Express-Post-Dienste (BdKEP) müssen ihren Arbeitnehmern nicht den gesetzlichen Mindestlohn von 9,80 Euro pro Stunde für Zusteller und 8,40 Euro für Verteiler und Fahrer zahlen. Das Bundesverwaltungsgericht gab den Klagen der Firmen statt, weil sie nicht wie vorgeschrieben angehört worden seien.

Mit ihrem Urteil stellen die Richter dem damals SPD-geführten Bundesarbeitsministerium kein gutes Zeugnis aus. Dort wurde versäumt, die privaten Briefzusteller zu hören, bevor Anfang 2008 die Post-Mindestlohnverordnung in Kraft trat.

Der BdKEP hatte im Dezember 2007 mit der neu gegründeten Gewerkschaft Neue Brief- und Zustelldienste (GNBZ) einen Tarifvertrag mit einem Mindestlohn unter 9,80 Euro geschlossen. Bei Erlass der Verordnung zum Post-Mindestlohn erklärte das Ministerium für die Branche jedoch diejenigen Mindestsätze für verbindlich, die im Tarifvertrag zwischen der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di und dem von der Deutschen Post dominierten Arbeitgeberverband Postdienste vereinbart worden waren. Der GNBZ wurde inzwischen vom Arbeitsgericht Köln der Status einer Gewerkschaft abgesprochen, sie wurde damit für nicht tariffähig erklärt.

Von dem Urteil sind jetzt aber nur die klagenden Unternehmen betroffen, erläuterte gestern eine Gerichtssprecherin. Für alle anderen privaten Briefzusteller bleibe die Mindestlohnverordnung in Kraft. Sie soll zum 30. April auslaufen. Die neue Bundesregierung dürfte keine Nachfolgeverordnung mehr verabschieden. Hintergrund: Die FDP und der Wirtschaftsflügel der Union lehnen dies ab.

Als Reaktion auf das Urteil forderte die stellvertretende Ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis gestern die Bundesregierung auf, den Post-Mindestlohn neu zu verordnen. Vom Gericht sei er "als das geeignete Mittel bestätigt worden, um Lohndumping in der Briefbranche zu verhindern". Dagegen erklärte der Präsident des von Post-Wettbewerbern getragenen Arbeitgeberverbandes Neue Brief- und Zustelldienste (AGV-NBZ), Florian Gerster, das Urteil bedeute "grünes Licht für die Schaffung neuer Arbeitsplätze". Der Chef der PIN AG, Alexander Stirl, sagte dem MDR, das Urteil habe einem "ordnungspolitischen Fiasko" ein Ende gesetzt (Aktenzeichen: BVerwG 8 C 19.09).