Bielefeld. Nach fast 30 Jahren an der Spitze des milliardenschweren Familienunternehmens Oetker räumt der 65 Jahre alte Firmenpatriarch August Oetker zum Jahreswechsel den Chefsessel. Er macht Platz für seinen sieben Jahre jüngeren Bruder Richard. Der Wechsel fällt in eine für den Konzern schwierige Zeit. Trotz der breiten Angebotspalette von der Tiefkühlpizza bis zur Containerschifffahrt (Hamburg Süd) kann sich auch das Familienimperium Oetker der weltweiten Konjunkturkrise nicht entziehen.

Der neue Mann an der Spitze des Familienimperiums ist in der Öffentlichkeit kein Unbekannter. Schlagzeilen machte Richard Oetker allerdings vor allem als Opfer eines Verbrechens. Im Jahr 1976 wurde der damals 25 Jahre alte Student vom Gebrauchtwagenhändler Dieter Zlof entführt und kam erst nach Zahlung der damals astronomischen Lösegeldsumme von 21 Millionen D-Mark (10,7 Millionen Euro) frei. Bei der Entführung, die später unter dem Titel "Tanz mit dem Teufel" sogar verfilmt wurde, erlitt Oetker schwerste Verletzungen. Seitdem lebt der heute 58-Jährige sehr zurückgezogen.

Seine ersten Erfahrungen im Familienunternehmen sammelte der Diplom-Braumeister bereits vor 29 Jahren als Trainee im Familienunternehmen. Später leitete er verschiedene Tochtergesellschaften des Familienimperiums. Doch der Sprung an die Konzernspitze stellt Richard Oetker jetzt vor ganz neue Herausforderungen. Der 58-Jährige ist künftig Europas größter Pizzabäcker, Deutschlands größter Bierbrauer, König des Backpulvers und Herr über zahlreiche Schifffahrtslinien.

August Oetker wird zum Jahreswechsel allerdings nicht alle Zügel in dem Konzern aus der Hand geben. Als Mitglied des fünfköpfigen Konzernbeirats wird er weiterhin wesentlichen Einfluss auf die Strategie des Unternehmens nehmen können. Doch wird der Vater von sechs Kindern wohl in Zukunft etwas mehr Zeit haben für seine Hobbys: das Fahren von Oldtimern und das Segeln.