Weihnachten ist ein Fest für die chinesische Spielzeugindustrie. Aus Preisgründen lassen die meisten Hersteller in Fernost feritgen.

Hamburg. Weihnachten ist das Fest der Liebe, das Fest der Familie - und ein Fest für die chinesische Spielzeugindustrie. Wenn das Geschenkpapier aufgerissen und der Müll sortiert ist, brennen sich drei Worte ins Gedächtnis ein: "Made in China". Der Schriftzug findet sich überall - auf dem Spielzeugauto, der Holzeisenbahn, der Puppe, dem Plüschtier, dem Plastikspielzeug.

Dabei spielt es nicht einmal mehr eine Rolle, ob es sich um Billigware oder Edelspielzeug handelt. Den Wegwerfartikel für 99 Cent hatten wir nicht anderswo verortet, die Gleise der schwedischen Holzeisenbahn Brio schon. Doch selbst, wo man gefühlte Tischlerpreise bezahlt, ist die Fertigungsstraße längst nach China verlagert worden. Branchengröße Vedes lässt bei seinen Eigenmarken 377 von 399 Artikeln in Fernost produzieren. Schätzungen zufolge stammen 70 bis 80 Prozent der Spielwaren aus Fernost, Deutschland als Marktführer ist längst Geschichte.

Das Hauptargument ist der Preis. Weil gerade unter dem Tannenbaum seltsamerweise Quantität Qualität schlägt, versuchen Großvater und Patentante mit großen Geschenken zu punkten: Lieber China-Autos im Dreierpack statt eins aus Lüdenscheid. Lieber eine Fließbandbarbie aus dem Perlflussdelta statt eine Manufakturpuppe aus Donauwörth.

Weil die kurzfristige Begeisterung oft wichtiger ist als die langfristige Zufriedenheit, werden ausgerechnet bei den lieben Kleinen große, manchmal zu große Kompromisse gemacht. So musste Mattel 2007 über 18 Millionen Spielsachen made in China, darunter Fisher Price, Mini-Autos und Barbie-Sets, zurückrufen. Die Autos waren mit bleihaltiger Farbe lackiert, die Puppen mit Kleinmagneten bestückt, die einige Kinder verschluckt hatten.

Mattel ist kein Einzelfall - trotzdem beschränken sich die Kontrollen noch immer auf Einzelfälle, obwohl die Hersteller in China erst seit gut 20 Jahren im Geschäft sind und daher nur rudimentäre Qualitätsansprüche entwickelt haben.

Aus diesem Grund hat sich der Stofftierhersteller Steiff wieder aus China verabschiedet. Den Gang nach Fernost hatte das Unternehmen zuvor damit gerechtfertigt, im Preiskampf mithalten zu müssen. Bei deutscher Produktion läge der Preis für ein Stofftier zwischen 39 und 49 Euro, in China gibt es das vermeintlich Gleiche schon für 9,90 Euro. Nach der Rückholaktion freute sich der Steiff-Firmenchef plötzlich, man sei "in der glücklichen Lage, dass unsere Kunden für einen Steiff-Teddy gern ein paar Euro mehr bezahlen".

Zu viel verlangt ist das generell nicht: Denn die Preise für Spielwaren sind, angetrieben durch den brutalen Preiskampf, in den vergangenen Jahren kaum gestiegen, teilweise sogar gefallen. Eltern wissen, dass für ein festes Budget Jahr für Jahr immer mehr unter dem Weihnachtsbaum liegen könnte. Ein neues Qualitätsbewusstsein könnte hier zugleich das Patentrezept gegen den Geschenkerausch sein.

Matthias Iken ist stellvertretender Chefredakteur des Hamburger Abendblatts.