Der Motorsägenhersteller Stihl will einen Teil seiner Produktion aus dem Ausland zurück holen - das ist kein Einzelfall.

Hamburg. Die Nachricht wirkt wie Balsam auf den von der weltweiten Wirtschaftskrise geplagten Standort Deutschland: Der Motorsägenhersteller Stihl will im kommenden Jahr einen Teil seiner Produktion trotz der höheren Lohnkosten aus Brasilien zurück ins Waiblinger Werk in Baden-Württemberg holen. Konkret geht es um die Fertigung von 50 000 Motorsägen jährlich.

Stihl ist kein Einzelfall: Immer mehr Unternehmen bereuen inzwischen, dass sie in der Vergangenheit - gelockt durch niedrige Kosten - Teile ihrer Fertigung verlagert haben. Weil die Einsparungen laut einer neuen Studie des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) im Auftrag des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) doch nicht so optimal waren wie von den Firmen eingeschätzt, drehen immer mehr Unternehmen das Rad zurück. Mittlerweile kommt sogar auf jedes dritte Unternehmen, das Teile der Produktion ins Ausland verlagert, eine Firma, die wieder nach Deutschland zurückkehrt. "Der Produktionsstandort Deutschland ist derzeit höchst attraktiv", kommentiert VDI-Direktor Willi Fuchs die Zahlen, für die 1500 Firmen befragt wurden. "Viele Unternehmen entdecken in der Wirtschaftskrise die Vorteile des Standorts."

Hauptmotiv für Rückverlagerungen sind neben den Kosten vor allem Qualitätsprobleme am ausländischen Standort. Zudem steht das Siegel "Made in Germany" international immer noch für Perfektion und Ingenieursgeist. Vor allem in China bringen Probleme wegen Produktpiraterie Firmen dazu, ihre Produktionsstätte wieder zu schließen. Das erlebte unter anderem der Teddy-Hersteller Steiff, der seine Spielzeugfertigung in dem Land aufgab.

Firmen, die wieder in Deutschland investieren, kommen aus den unterschiedlichsten Branchen. So hat der Süßwarenhersteller Katjes Fassin wegen Qualitätsmängel sämtliche ausländischen Werke geschlossen und eine neue Fertigung in Potsdam hochgefahren. Schon im Jahr 2003 hat der Hamburger Gabelstapler-Hersteller Jungheinrich defizitäre Werke unter anderem in Großbritannien geschlossen und Teile der Produktion nach Deutschland geholt. Jungheinrich-Wettbewerber Linde hat in diesem Sommer die Schließung seiner Fabrik in Großbritannien zugunsten seiner deutschen Standorte angekündigt, während der hessische Tresorbauer Format seine Produktionsstraße in Polen aufgab und in der Nähe von Kassel ein komplett neues Werk errichtete. "Unser Motiv war nicht, die Kostensituation von Stihl zu optimieren, sondern die Beschäftigungssituation in Deutschland zu stabilisieren", begründete Stihl-Chef Bertram Kandziora gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) die jetzt bekannt gewordene Verlagerung der Sägenproduktion. "Mit dieser Maßnahme bekennt sich das Unternehmen einmal mehr zum Standort Deutschland und sichert hierzulande Arbeitsplätze", sagte er. "Unsere Wettbewerber verlagern ihre Produktion gerade vor allem in Billiglohnländer. Bei uns ist das momentan nicht der Fall."

Mehrkosten fürchtet das Unternehmen durch die Verlagerung nicht. "Natürlich kostet eine solche Regelung auch mal etwas", sagte der Manager. "Bei dieser Produktionsverlagerung haben wir aber keine Kostennachteile."

Als einen Grund für den Weggang aus dem südamerikanischen Land nannte Kandziora die wieder erstarkte brasilianische Währung Real. "Dadurch leidet die Wettbewerbsfähigkeit im Export. Im konkreten Fall kommen noch Nachteile wie Fracht, Zoll und Steuern hinzu. Diese umgehen wir mit der Verlagerung der Produktion."

Nicht nur die Zahl der Rückkehrer nach Deutschland nimmt zu, auch die Zahl der Unternehmen, die ihre Herstellung nach Osteuropa und andere preiswerte Regionen verlagern, wird derzeit geringer. Laut der VDI-Studie liegt die Quote der "Auswanderer" im Verarbeitenden Gewerbe derzeit bei nur noch neun Prozent - und damit auf dem tiefsten Stand seit 15 Jahren. "Die Ergebnisse sind insofern überraschend, als dass bei früheren Wirtschaftskrisen die Unternehmen verstärkt Produktionsverlagerungen zur Kosteneinsparung genutzt haben", sagte Steffen Kinkel, Projektleiter der Studie am Fraunhofer Institut ISI. "Unternehmen, die bei ihren Standortentscheidungen nur die Kosten betrachtet haben, agieren teilweise kurzsichtig und unkritisch", kritisiert Fuchs vom VDI, "da sie schlicht und einfach viele Kosten nicht berücksichtigen."