Alle Nahverkehrsbetriebe in Deutschland setzen auf die bargeldlose Bezahlung der Fahrkarte. Neue Projekte geplant.

Hamburg. Wenn Nils Schmidt in anderen Städten mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, zückt er am liebsten sein Handy, um eine Fahrkarte zu lösen. "Fahrkartenautomaten sind mir zu umständlich, jede Stadt hat zudem andere", sagt der Geschäftsführer des Hamburger IT-Dienstleisters HanseCom im Gespräch mit dem Abendblatt. In 50 Städten kann er inzwischen schon sein Handy als Fahrkartenautomat nutzen, auch in Hamburg. Mit jedem Ticketkauf auf seinem Handy kann er gleichzeitig kontrollieren, wie gut sein jüngstes Projekt funktioniert. Denn HanseCom hat vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) den Auftrag erhalten, den Fahrkartenverkauf per Handy für alle Nahverkehrsunternehmen, die sich daran beteiligen, abzuwickeln.

"Das ist für uns ein großer Schritt, denn es handelt sich um einen mehrstelligen Millionenauftrag", sagt Schmidt. "Der VDV hat sich entschieden das Handyticket aus der bisherigen Pilotphase herauszulösen und es fest als weiteren Vertriebsweg zu etablieren." In der Pilotphase wurden eine Million Fahrscheine per Handy verkauft. HanseCom wickelt mit seinem Rechenzentrum alle Vorgänge rund um den Kauf eines Fahrscheins per Handy ab. Der Kunde muss sich einmal registrieren und sich eine Software auf das Handy laden. "Dann hat er einen Zugang für alle Städte", sagt Schmidt.

Noch steckt das Bezahlen mit dem Mobiltelefon in Deutschland allerdings in den Kinderschuhen. Doch die Experten des Beratungsunternehmens Cap Gemini sehen ein großes Potenzial für entsprechende Lösungen. Rund 45 Prozent betrachten mobiles Bezahlen als eine attraktive Dienstleistung. In den nächsten fünf Jahren sehen die Experten dafür einen Markt von bis zu 24 Millionen Kunden in Deutschland. Ein lukratives Geschäft lockt.

Kleine Beträge mit dem Handy bezahlen - das ist auch schon in anderen Bereichen, etwa bei Parkgebühren, zu beobachten. "Ich kann mir da noch viele Anwendungen vorstellen bis hin zum Ticketverkauf für Sportveranstaltungen", sagt Schmidt. Das Problem ist allerdings, dass für jede Anwendung einmalig die Software des jeweiligen Anbieters auf das Handy geladen werden muss. "Ich kann mir vorstellen, dass die Konvergenz der Systeme schnell voranschreitet, wenn es viele Anwendungen im Markt gibt", sagt Schmidt. Technisch sei das kein Problem und für den Kunden werde das Bezahlen per Handy so komfortabler.

Schmidt sieht schon mit seiner Technik Fahrkartenautomaten überflüssig werden. "Das ist noch eine Vision", sagt Wolfgang Schwenk vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen . "Wir betrachten den Fahrscheinverkauf per Handy als Teil eines großen Mobilitätsprojekts, um die Bezahlvorgänge zu vereinheitlichen." So soll mit einem Träger der Bezahlvorgang von der Fernbahn über das Carsharing bis zur Ausleihe eines Fahrrades in einer fremden Stadt abgewickelt werden können. "An einem einzigen Endgerät wollen wir das nicht festmachen", sagt Schwenk. "Das kann ein Handy, aber auch eine Chipkarte sein." Doch völlig verzichten auf Fahrkartenautomaten wird man nicht, obwohl das aus Kostengründen ein interessanter Aspekt für die Verkehrsunternehmen ist.

Im Hamburger Verkehrsverbund (HVV) können Einzel-, Tages-, Gruppen und Ergänzungskarten mit dem Handy gelöst werden, Zeitkarten aber auch nicht. "Da vier von fünf Zeitkarten im Abo gekauft werden, sehen wir das auch nicht als vordringlich an", sagt Giesela Becker vom HVV dem Abendblatt. "Aus technischer Sicht muss der Erwerb noch einfacher werden und auch die Nutzung des I-Phones mit einbeziehen."

Die Etablierung von Handytickets im Öffentlichen Personenverkehr (ÖPV) ist nur eine von vielen Aufgaben von HanseCom, einem Gemeinschaftsunternehmen von Siemens und der Hamburger Hochbahn. Die Firma bietet branchenspezifische SAP-Software für Verkehrsunternehmen zur Steuerung aller vertrieblichen Geschäftsprozesse - vom Fahrkartenverkauf bis zur Verfolgung von Schwarzfahrern. "Wir wollen Marktführer im deutschsprachigen Raum für Standardlösungen im ÖPV werden", sagt Schmidt. Das jährliche Wachstum liegt nach seinen Schätzungen bei rund 25 Prozent. "Zehn Prozent Neueinstellungen sind im nächsten Jahr geplant", sagt Schmidt. Gegenwärtig arbeiten 140 Mitarbeiter bei HanseCom.