Hamburg. Der Suzlon-Konzern des indischen Unternehmers Tulsi Tanti ist nach Vestas aus Dänemark und General Electric aus den USA der drittgrößte Windturbinen-Hersteller der Welt. Suzlon hält unter anderem 91 Prozent der Anteile an Repower Systems in Hamburg. Gestern bekam Repower vom Energiekonzern E.on einen neuen Auftrag für 15 Windkraftanlagen in Großbritannien. Das Unternehmen will den Markt der Offshore-Windparks in führender Position mit erschließen. Für den ersten deutschen Offshore-Windpark in tiefem Wasser, Alpha Ventus nördlich der Nordseeinsel Borkum, hat Repower sechs Windturbinen mit je fünf Megawatt-Leistung geliefert.

Hamburger Abendblatt:

Herr Tanti, Deutschland und Europa waren Vorreiter beim Auf- und Ausbau der erneuerbaren Energien. Welche Märkte werden für Ihre Branche in den kommenden Jahren die wichtigsten sein?

Tulsi Tanti:

Suzlon arbeitet heute bereits in mehr als 20 Ländern. Einen einzelnen Schwerpunkt gibt es da nicht. Die Märkte mit dem größten Wachstum werden in den kommenden Jahren China und die USA sein. Beide Länder haben einen hohen Energiebedarf, sind die größten Emittenten von Treibhausgasen, haben aber auch sehr gute Bedingungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Auch der indische Markt wird stark wachsen. Europa jedoch wird auf absehbare Zeit der wichtigste Markt für unsere Industrie bleiben.

Abendblatt:

Wie entwickelt sich das Geschäft mit der Windkraft in Ihrem Heimatland Indien, dem Land mit der nach China zweitgrößten Bevölkerung?

Tanti:

Indien zählt, nach installierter Megawatt-Leistung, zu den fünf größten Windenergie-Nationen der Welt. Das Wachstum war in diesem Jahr zwar nicht so stark, aber die Aussichten sind sehr gut. Auch deshalb, weil die Regierung vieles in Bewegung setzt. In China waren Ende vergangenen Jahres über 12 000 Megawatt Windkraft-Leistung installiert, in Indien über 9000 Megawatt, bei einer vergleichbar großen Bevölkerung.

Abendblatt:

Können die Windkraft-Unternehmen in Europa ihre starke Position halten oder wird es auch hier bald einen Verdrängungswettbewerb mit asiatischen Anbietern geben?

Tanti:

Sie werden ihre starke Position behaupten. Europa braucht in den kommenden Jahren erheblich mehr Energie aus regenerativen Quellen, um die anspruchsvollen Ziele des Klimaschutzes zu erreichen. Die Produkte unserer Industrie stellen sich in Europa völlig anders dar als in Asien, zum Beispiel bei der Größe der Windturbinen. Allerdings: Die Unternehmen in Europa müssen ihre Wettbewerbsfähigkeit stetig verbessern, um langfristig mithalten zu können.

Abendblatt:

Vor einigen Jahren ist Suzlon bei Repower Systems in Hamburg eingestiegen, mittlerweile gehören Ihnen rund 91 Prozent der Repower-Anteile. Welche Rolle spielt Ihre Hamburger Tochterfirma im Konzernverbund?

Tanti:

Repower ist eine sehr starke Marke mit exzellenter Technologie, das Unternehmen spielt eine wichtige Rolle in unserer Gruppe. Das Geschäft von Repower soll kontinuierlich ausgebaut werden. Man muss dabei sehen: Selbst vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise wird das Geschäft von Repower im laufenden Geschäftsjahr, das am 31. März 2010 endet, nach Aussagen des Managements mit rund 1,4 Milliarden Euro Umsatz abschließen. Das entspricht einer Steigerung gegenüber dem Vorjahr um rund 16 Prozent.

Abendblatt:

Wie arbeiten die einzelnen Unternehmen in der Suzlon-Gruppe zusammen?

Tanti:

Die Unternehmen arbeiten sehr unabhängig, fokussiert auf ihre eigenen Märkte. Die Bedingungen in den einzelnen Ländern sind sehr unterschiedlich, auch im Hinblick auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen und Regulierungen. Wir bauen in Hamburg ein gemeinschaftliches Forschungs- und Technologiezentrum von Suzlon und Repower auf. Hier geht es unter anderem darum, die nächste Generation von Windturbinen zu entwickeln.

Abendblatt:

Welches Wachstum planen Sie für die nächste Zeit?

Tanti:

Grundsätzlich ist es unser Ziel, stets stärker zu wachsen als der Markt insgesamt.

Abendblatt:

Die beiden früheren Großaktionäre Areva und Martifer sind nicht mehr bei Repower. Was bedeutet das für Sie als Mehrheitseigner?

Tanti:

Wir haben Areva und Martifer als strategische Partner immer geschätzt. Auf das Geschäft von Repower hatte ihr Ausstieg keine Auswirkungen.

Abendblatt:

Wird es in der Windkraft-Industrie eine stärkere Konzentration geben, auch angesichts wachsender wirtschaftlicher Herausforderungen?

Tanti:

Ich glaube im Gegenteil, dass die Zahl der Anbieter weiter deutlich wachsen wird. Eine Konsolidierung wird es erst geben, wenn das starke Wachstum des Marktes nachlässt. Das ist zurzeit nicht zu erkennen - und wird wohl auch in den kommenden Jahren nicht zu sehen sein.

Abendblatt:

Welche Zukunftsaussichten räumen Sie der Offshore-Technologie ein? Windparks auf See, auf die sich ja Repower sehr stark konzentriert, sind teuer und technologisch komplex.

Tanti:

Am europäischen Markt werden die Offshore-Windparks für die kommenden Jahre die wichtigsten Wachstumstreiber sein. Das Offshore-Geschäft wird auch in China und in den USA eine große Rolle spielen. Die Projekte dafür stellen eine große Herausforderung dar, technologisch und bei der Finanzierung. Aber diese Herausforderung lohnt, da es sich um ein lukratives Geschäft handelt. Dieses Wachstumspotenzial wollen wir heben. Vor allem Repower mit seinen Fünf- und Sechs-Megawatt-Anlagen hat hier eine sehr starke Position. Allein deren Rotordurchmesser von 126 Metern könnte ein Fußballfeld überspannen.

Abendblatt:

In Kopenhagen tagt derzeit der Klimagipfel der Vereinten Nationen. Welche Ergebnisse erwarten Sie?

Tanti:

Alle wichtigen politischen Repräsentanten sind dort. In Kopenhagen wird der Fahrplan für die kommenden Jahre festgelegt. Wichtig ist, dass sowohl die Industrieländer als auch die Schwellen- und Entwicklungsländer klare Ziele für ihren künftigen Ausstoß an Treibhausgasen festlegen. Es sind enorme Herausforderungen, in finanzieller und technologischer Hinsicht und auch mit Blick auf die Bildung und Ausbildung der Menschen, die sich mit dem Kampf gegen den Klimawandel beschäftigen.