Viele Tarife wurden innerhalb kürzester Zeit drastisch erhöht. Viele Kunden sind schockiert über hohe Rechnungen.

Hamburg. Sascha Demitz traute seinen Augen kaum, als er vor ein paar Tagen seine Telefonrechnung öffnete. "Für ein paar Anrufe nach Brasilien im Oktober soll ich 215 Euro zahlen", sagt der Harburger fassungslos. 155 Minuten zu einem Preis von durchschnittlich 1,39 Euro hatte ihm das Unternehmen PM⊃2; Telekommunikation berechnet. Unverständlich für den Angestellten, denn die Vorwahl 01056 des Anbieters nutzt er bereits seit Jahren für Gespräche nach Brasilien und zahlte bisher lediglich zwei bis drei Cent pro Minute. Monatlich kamen so selten mehr als ein paar Euro zusammen. Und seine Anrufe nach Brasilien kommen den 36-Jährigen wohl noch viel teurer. Im November telefonierte er zwei Wochen lang täglich bis zu zwei Stunden mit seiner Gattin, die zurzeit in Brasilien ist. Die Rechnung dafür schickt PM⊃2; Telekommunikation erst Ende Dezember. Der 36-Jährige hat eine Summe von 2200 Euro ausgerechnet - für ihn unfassbar. "PM⊃2; hat die Preise praktisch über Nacht um über 5500 Prozent erhöht. Das geht doch nicht!"

Demitz ist nicht der Einzige, der in die Tariffalle tappte. Im Forum des Portals www.billiger-telefonieren.de findet man zahlreiche wütende Kunden des Call-by-Call-Anbieters. Einer von ihnen ist Gerhard Loose aus Wuppertal. Auch er nutzte jahrelang die günstigen Tarife von PM⊃2; und soll jetzt 60 Euro für zwei Gespräche nach Moskau überweisen. Der Hamburger Davood Latifi fühlt sich ebenfalls übers Ohr gehauen. Für Telefonate in den Iran, die bislang wenige Euro kosteten, verlangt PM⊃2; von ihm plötzlich 200 Euro. Die Liste ähnlicher Fälle ist lang. Im Forum erheben die Betroffenen schwere Vorwürfe gegen das Unternehmen und werfen ihm "Abzocke" und "Wucher" vor. Gemeinsam versuchen sie, gegen die im hessischen Neu-Isenburg angesiedelte Firma vorzugehen.

Das Überraschende: Das Unternehmen hat mit seiner Preissteigerung offenbar nicht gegen gültiges Recht verstoßen. "Bei jedem Anruf über Call-by-Call kommt ein neuer Vertrag zustande", sagt Anneke Voß, Expertin für Telekommunikation bei der Verbraucherzentrale Hamburg. "Wenn man einen Vertrag eingeht, hat man im Prinzip selbst die Pflicht, sich über die Kosten zu informieren. Im Grunde muss man das vor jedem Telefongespräch überprüfen. Wenn allerdings überhaupt nicht über einen Preis gesprochen wurde, kann nur der übliche Preis verlangt werden." Problematisch sei, dass Call-by-Call-Anbieter keine allgemeine Preisansagepflicht direkt vor dem Gespräch hätten. Betroffene Kunden sollten die Zahlung der überhöhten Tarife nach Meinung von Anneke Voß dennoch verweigern und maximal einen Abschlag anbieten. "Ich rate allen Betroffenen, sich beim Anwalt oder der Verbraucherzentrale rechtlich beraten zu lassen", sagt Voß. Wie die Gerichte urteilen, ist laut Verbraucherzentrale Hamburg schwer vorherzusagen. Ein Urteil des Landgerichts Wiesbaden gibt den Betroffenen jedoch Hoffnung: In einem ähnlichen Fall entschied das Gericht gegen einen Call-by-Call-Anbieter und reduzierte dessen Forderung von 241 auf 3,50 Euro.

Ein Problem für alle Kunden, die bereits Geld an PM⊃2; Telekommunikation gezahlt haben: Am 17. September hat das Unternehmen vorläufige Insolvenz angemeldet. "Ihr Geld ist weg", sagt Verbraucherschützerin Voß. Doch einige Kunden könnten von der Entwicklung sogar profitieren. "Der Insolvenzverwalter wird versuchen, alle offenen Forderungen durchzusetzen. Wenn es sich lohnt, auch vor Gericht. Doch bei kleinen Beträgen wie beispielsweise 50 Euro, wird er sicher nicht vor Gericht gehen", sagt Voß. Der zuständige Insolvenzverwalter und Rechtsanwalt Thomas Lanio von der Offenbacher Kanzlei Knapp, Lanio, Gesser & Partner will sich nicht zu dem Fall äußern.

Eine Anfrage des Abendblatts verwies er an den Geschäftsführer der PM⊃2; Telekommunikation GmbH, Volker Brause. Doch bei dem Call-by-Call Anbieter geht seit Tagen keiner ans Telefon. Auch die kostenlose Kundenhotline ist nicht in Betrieb. Hier informiert eine Stimme vom Band: "Wegen Umstrukturierungen in unserem Servicecenter sind wir telefonisch zurzeit nicht erreichbar." Schwacher Trost für die Kunden: Der Call-by-Call-Anbieter hat laut seiner Homepage die Tarife wieder gesenkt und informiert seine Kunden direkt vor dem Telefonat über die Minutenpreise.